Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
ernannt werden, so befähigt sie auch sein mag. Sünde ist das. Nun, aus all deinen bisherigen Malstudien ist nicht zu entnehmen, dass sie von weiblicher Hand stammen, dein Stil enthält ebenso viel Dynamik wie Zartheit. Er entströmt eben einer kraftvollen Frauenseele."
"Einer Hexenkünstlerin?
"Auch das, einer Strega dell'Arte", musste er lachen.
Dann erzählte er ihr von dem bevorstehenden Osterfest im Schloss, das der Prunk liebende Herzog für seine vielen Gäste wieder entsprechend ausgestattet haben will, zwar ohne Turnier und Theateraufführung, doch mit mehreren Artistenauftritten. Lucia fragte ihn, ob wohl auch Angelina wieder erscheinen werde. Si, meinte Leonardo, denn sie lasse sich keine Schlossveranstaltung entgehen. Aber sie, Lucia, könne sich darauf verlassen, dass er bei ihr nicht ein Wort über Alphonse oder sie verlieren werde, vielmehr würde es ihm Spaß bereiten, diese hinterhältige Donna an ihrer neugierigen Spitznase herumzuführen. Das konnte sich Lucia lebhaft bei Leonardo vorstellen und musste lachen, er ebenfalls, doch gleich drauf fiel sein Gesicht zusammen und er seufzte: "Morgen früh wirst du also abreisen. Dann wird es leer hier für mich."
Nun druckste er herum, als wolle er etwas sagen, doch er brachte es nicht fertig. Stattdessen fragte er schließlich, was er ohnedies wusste: "Wann wirst du in Meran ankommen?"
"Am Samstag."
"Stimmt, hast du mir schon gesagt. Und, si, und du wirst mir auch wieder schreiben?"
"Sicher doch."
Wieder druckste er, setzte zu einer Frage an, die ihm aber nicht über die Lippen wollte. Er versuchte es erneut, und da es ihm wieder nicht gelang, gab er mit einer verärgerten Handbewegung auf. Dann machte er Anstalten zu gehen, weshalb sich Lucia rasch erkundigte ob sie ihre neuen Malübungen auch in Meran durchführen dürfe.
"Si", stimmte er zu, "ich nenne dir zwei Begriffe, die du in dieser Zeit, sooft du möchtest, darstellen kannst - Entfalten und Ergrünen. Aber nie beide Begriffe an ein- und demselben Tag."
"Bene. Die Begriffe gefallen mir, ich freue mich auf diese Übungen."
"Das höre ich gerne."
Lucia und Leonardo mussten sich beide am Frühstückstisch zwingen, wenigstens eine Semmel zu verspeisen. Ihre bevorstehende Trennung verdarb ihnen den Appetit. Und ehe ihren Tischgenossen ihr ungewohntes Verhalten auffallen konnte, erhob sich Lucia von ihrem Platz, mit der Erklärung, ihre bestellte Droschke treffe jeden Moment ein. Nachdem sie sich dann von allen verabschiedet hatte, hörte sie tatsächlich schon die Kutschpferde antraben und begab sich mit ihrem Gepäck hinaus auf die Straße.
Sie war gerade in die Droschke gestiegen und der Kutscher auf seinen Bock geklettert, als plötzlich Leonardo den Plattenweg herab geeilt kam und dem Kutscher zurief: "Halt! Einen Moment noch!"
Dann hatte er die Droschke auch schon erreicht, stieg ein und ließ sich Lucia gegenüber auf die Bank nieder. "Ich lass dich nicht abfahren", erklärte er ihr trotzig und sah sie mit gesenktem Kopf von unten nach oben an.
"Oh weh, und was mach ich da jetzt?", ging sie darauf ein, wozu er nur, trotzig wie ein kleiner Junge, mit den Schultern zuckte.
Lucia wusste nicht, wie sie reagieren sollte, ihr fiel nichts ein, und nach einer Weile gab er die nächste Trotzbemerkung von sich: "Oder ich fahre mit."
"Das wäre schön", tat sie erfreut, worauf sich der Ansatz eines Lächelns in seinem Gesicht zeigte und Lucia bestärkte ihre Aussage noch: "Im Ernst, Leonardo, etwas Schöneres könnte ich mir nicht denken."
Nun wurde er verlegen, dann druckste er, wie bei ihrem gestrigen Gespräch herum, bis er endlich herausrückte: "Eine Möglichkeit gebe es noch, uns die Situation zu erleichtern. Si, und zwar, wenn nicht nur du mir, sondern auch ich dir schreiben könnte. Was hältst du davon?"
"Herrlich wäre das. Dann tu's doch!"
"Wie denn, etwa an Lukas de Belleville?"
Endlich begriff sie und gab zurück: "No, besser an Lucia de Belleville, Meran, Bellwillhügel."
"Lucia", wiederholte er so weich, dass ihr zum ersten Mal ihr Name gefiel. "Es war grausam", hörte sie ihn nun klagen, "als ich dir nach Weihnachten auf deine reizenden Briefe nie antworten konnte. Aber diesmal wird das anders. Weißt du was, Lucia? Ich möchte dich wenigstens einmal mit lockerer Damenfrisur und deinen Naturbrauen sehen, nur aus Neugier, denn gefallen tust du mir auch so."
"Siehst du? Ein Grund mehr, mit mir zu kommen."
"No", lachte er, "ich muss nun leider die entgegengesetzte Richtung einschlagen, sonst
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