Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
ebenso leicht wie an ihren neuen großen Arbeitsplatz. Darin hingen nun an beiden Wänden ihre vier in Meran verfertigten Bilder sowie das große, duftige Faungemälde, und in der Ecke prangte auf der Staffelei die Darstellung der zwei temperamentvollen Rösser.
Inzwischen hatte Lucia in Öl das Porträt eines alten Einsiedlers begonnen, was ihr wieder flink von der Hand - von den Händen ging. Veras Malstil wich erheblich von ihrem ab, Vera malte subtiler, hatte Lucia bis vor kurzem geglaubt, doch Leonardo, dem Lucia drei Bilder von Vera zur Begutachtung mitgebracht hatte, war anderer Ansicht. "Zarter schon", hatte er ihr dieser Tage gesagt, als sie ihn darauf angesprochen hatte, "aber subtiler malst du, Signa."
Leonardo hatten Veras Bilder ausgezeichnet gefallen, er hatte sie mit denen seiner Mutter verglichen, die ebenfalls faszinierend seien und dann geäußert: "Eine Schande, dass eure Werke der Menschheit vorenthalten werden, nur weil sie von Frauenhand stammen. Dabei liegt in euren Arbeiten ein Zauber, den wir männlichen Artisti nie erbringen können, ich denke nur an eure unnachahmliche Art von Kinderdarstellungen."
Dieses Urteil hatte Lucia Vera noch am gleichen Abend schriftlich mitgeteilt.
Vier Tage nach ihrer Gartenfesta setzten sich Lucia und Leonardo zur blauen Stunde in der Nähe des mit einer Nachtlampe beleuchteten Blockhauses auf eine Bank. Der Herbst war noch jung und farbenfroh, doch der heutige Abend war bereits frisch, und da sie die Garzoni außer Haus wussten, rückten sie dicht zusammen, und Leonardo legte wärmend seinen Arm um Lucias Schultern. Er erzählte ihr von dem Reiterstandbild, das er im Auftrag des Herzogs gießen sollte und an dessen Gussform er bereits seit Jahren arbeitete. Herzog Ludovicos Wunsch entsprechend soll dieses Denkmal, mit Ludovicos Vater auf dem Pferd, in Pracht und Größe alle bisherigen Reiterstandbilder überbieten, weshalb es Leonardo in fast vierfacher Lebensgröße anzufertigen hatte, was kaum zu bewerkstelligen war. Und da Leonardo zudem die Prunksucht des Herzogs zuwider war, zeigte er wenig Gefallen an diesem Auftrag. Hinzu kam, dass der Herzog jetzt ein Großteil des für dieses Standbild in der Lombardei gesammelten Metalls zu Waffen verarbeiten ließ, weshalb nicht mal abzusehen war, ob dieses Monument jemals gegossen werden kann.
Nun erkundigte sich Lucia, ob ihm inzwischen wieder Angelina über den Weg gelaufen sei, worauf er Ihr gestand: "Si, vergangene Woche. Aber das habe ich dir verschweigen wollen, damit du dich nicht ängstigst."
"Tu ich nicht, Leonardo. Hat sie sich denn wieder nach den Bellevilles erkundigt?"
"Hat sie", bekannte er ihr, "sogar speziell nach dir, aber ich habe sie abweisen können. Von mir erfährt sie nichts und von den anderen auch nicht."
"Lieb, dass ihr alle so zu mir haltet", sagte sie und schmiegte ihren Kopf an seine Schulter, worauf er ihr mit seiner freien Hand die Wange streichelte.
Dann fragte er leise: "Und du? Hast du mich denn kein bisschen lieb?"
"Doch - wieso?"
"Weil ich das nicht fühlen kann, nirgends fühle ich das."
"Ach, du", verstand sie nun und legte ihren Arm um seinen Rücken, wofür er ihr einen Kuss ins Haar hauchte.
In dem Moment erschreckten sie Schritte, doch um sich rechtzeitig voneinander zu lösen, war es zu spät, denn im nächsten Moment stand Carlo vor ihnen. Er blickte sie entsetzt an, sie blickten ebenso zurück, außerstande, ihm eine Erklärung abzugeben. Jetzt verzerrte sich Carlos Gesicht, er wandte sich um und stapfte davon.
Als seine Schritte dann provozierend laut auf dem Plattenweg hörbar wurden, äußerte Leonardo: "Aujeh, das verzeiht er uns nie."
"Armer Kerl eigentlich."
Sie hielten sich noch immer umarmt, aber unbeweglich und wieder stumm, bis Carlo das Hoftor zuknallte, wovon sie zusammenzuckten. Dann sahen sie sich an, und Lucia musste über ihre Situation lachen: "Ist das nicht albern, Leonardo, wir sind das keuscheste Liebespaar der Welt, und keiner hätte uns das in diesem Moment abgenommen."
Leonardo konnte nicht mit lachen, denn bevor Carlo wie aus dem Nichts aufgetaucht war, wäre er über sein Keuschheitsgebot Lucia gegenüber fast gestolpert. Um aber nicht desinteressiert zu wirken, fragte er: "In wen ist er denn nun verliebt, in dich oder noch immer in mich?"
"In jeden von uns, wie es scheint. Aber in Liebesangelegenheiten bin ich unerfahren. - Und du?"
"Umso erfahrener", gab er herausfordernd zurück.
Ansich hatte Carlo die da Vinci-Bottega aufgesucht, um sich
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