Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
für sein schlechtes Benehmen auf der kleinen Festa zu entschuldigen, und dann dieser Schock! Er kam nicht darüber hinweg. Damit war die Freundschaft zwischen Lucia und ihm, die zwar vordem bereits zu bröckeln begonnen hatte, endgültig zerbrochen. Auf eins konnten sich Lucia und Leonardo indes bei ihm verlassen, er wird bei niemandem ein Wort über diese Begebenheit verlieren. Und Leonardo, der seine Gefühlsbeherrschung zu Lucia überschätzt hatte, mied nunmehr jegliche Zweisamkeit mit ihr, wodurch die Abende für Lucia nun lang wurden - keinen Carlo und plötzlich auch keinen Leonardo mehr.
Unterdessen hatte Lucia ein weiteres Bild in Großformat begonnen, eine Nebel durchzogene Herbstlandschaft. Ihre Werke, die sie auf Leonardos Bitte alle mit ihrem Künstlernamen signiert hatte, fanden guten Anklang. Unter den Kunstinteressenten und -händlern hatte sich herumgesprochen, in der da Vinci-Bottega sei ein neuer, blutjunger Maler namens Signa am Werk, dessen eigenwillige Gemälde man kennen müsse. Deshalb standen nun öfters Besucher am Rand ihres Arbeitsplatzes, bestaunten schweigend ihre Werke und schauten ihr beim Malen zu, woran sie sich nur schlecht gewöhnen konnte. Einige hätten auch gerne den Faun oder die Rösser gekauft, doch das hielt Leonardo für verfrüht.
"Dadurch gerietst du unter Druck", erklärte er Lucia, "außerdem gewinnen deine Werke an Wert, wenn wir sie nicht so schnell aus der Hand geben."
"Kann mir nur recht sein", gab sie zurück, worauf er nur lächeln konnte:
"Als ob ich das nicht wüsste, du genierliche Artista."
Das hätte nun alles so unbeschwert und in vielerlei Hinsicht für Lucia erbaulich weiter verlaufen können, würde sich nur endlich Angelina zurückhalten. Aber nein, sie setzte alles in Bewegung, um Lukas de Belleville ausfindig zu machen. Vorgestern, dem Martinstag, war sie Bernardino begegnet und hatte sich erkundigt, ob dieser neue, rothaarige Maler in seiner Bottega etwa de Belleville heiße, worauf Bernardino ihr vorgeschwindelt hatte - ihwo, der heiße Sikna und sei ein Holländer. Das beunruhigte Lucia und Leonardo, da sie wussten, wie gefährlich es werden kann, wenn Angelina weitere, womöglich gar amtliche Nachforschungen nach einem Lukas de Belleville betrieb.
Das Klügste wäre, sie reise nach Hause, erwog Lucia. Dazu veranlasste sie auch eine heute Morgen erhaltene Nachricht von Herrn von Lasbeck, der ihr zwar mitteilte, der Verkauf im Werk erziele Rekordgewinne und im Bellwillhaus seien soweit alle wohlauf, nur ihre Frau Mutter kränkle ein wenig, was er allerdings auf eine harmlose Erkältung zurückführe. Lucia sah das anders, sie fürchtete, ihre Mutter leide wieder unter Herzbeschwerden. Deshalb beabsichtigte sie, bei nächster Gelegenheit mit Leonardo zu besprechen, ob sie nicht besser in den nächsten Tagen nach Meran reisen solle.
Dann überschlugen sich die Ereignisse. Noch am gleichen Vormittag kam Leonardo aufgeregt von der Gießerei zurück ins Atelier und rief: "Donna de Brondolo kommt! Signa, du musst auf der Stelle verschwinden, raus aus Mailand!"
"Ruhig, Maestro, ruhig", beschwichtigte ihn Bernardino, "es reicht doch, wenn er in seine Wohnung verschwindet."
Doch Leonardo widersprach: "Eben nicht, die Donna wird mit Gendarmen anrücken, habe ich erfahren."
"Ich gehe packen", entschied Lucia und eilte in ihre Wohnung.
Dort schlupfte sie flugs in ihren warmen Herbstanzug, packte ihre Reisetaschen, und dann klopfte es auch schon an die Tür, wobei sie Leonardo rufen hörte: "Signa, ich bin es."
"Komm rein."
"Alles wird gut gehen, Cara mia. Fertig gepackt?"
"Schon, aber. ."
"Langsam, Signa", er blickte ihr fest in die Augen, "hetzen müssen wir nicht. Entscheidend ist vorerst, dass du unverzüglich und vor den Augen der Bottegaangehörigen abreist. Weshalb, erkläre ich dir in der Droschke, die bereits vor der Tür wartet und in der ich dich bis zum Stadtrand begleiten werde. Jetzt komm."
Am unteren Treppenabsatz warteten auf sie die Artisti, Garzoni und Charlotta, von denen sich Lucia nacheinander mit warmem Händedruck verabschiedete, während Leonardo mit ihrem Gepäck durch den Vorderausgang nach draußen ging.
Wenig später saßen Lucia und Leonardo nebeneinander in der Droschke, und Lucia wunderte sich, welches Tempo die Pferde einschlugen.
"Ich habe dem Kutscher einen guten Preis bezahlt", erklärte ihr Leonardo ungefragt und lehnte sich zurück. "Aber jetzt läuft sich alles zurecht, Liebes."
Lucia erwartete keine weitere Auskunft von
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