Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
beschwörendem Blick. Fast übergangslos geriet sodann Bellesigni-Glanz in seine grünen Augen, mit denen er in die Runde blickte und verlauten ließ:
"Mir hätte dieser Hochbegabte diese Tatsachen nicht abgenommen, weshalb ich euch dankbar bin für eure zutreffenden Beurteilungen. Und nun zu dir, Lukas." Er stellte sich vor sie und tat ihr kund: "Wir schätzen uns glücklich, dich mit dem heutigen Tag in unseren Kreis aufnehmen zu können - ich ernenne dich hiermit offiziell zum ausgebildeten Artista." Wieder blickte er in die Runde: "Und ihr - keine Reaktion?"
"Herzlichen Glückwunsch!", kam es sofort von Bernardino, der Lucia noch immer im Arm hielt, Giovanni drückte ihr gerührt die Hand:
"Lukas, ich kann nicht ausdrücken, wie ich mich freue",
und gleich drauf schob Leonardo Bernardino zur Seite, umfasste Lucias Kopf und küsste ihr die Stirn.
Danach gratulierten ihr auch Nicola und Rolando. Lucia aber stand nur hilflos da. Wäre sie tatsächlich ein Jüngling, würde sie nun Stolz erfüllen, doch sie war so durcheinander, dass sie keinerlei männliche Gefühle vorheucheln konnte.
"Komm, Lukas", forderte sie zu ihrer Überraschung jetzt Nicola auf, "wir gehen nach draußen. Nach solch einem Ereignis brauch der Mensch frische Luft."
Dankbar ließ sie sich von ihm zur Terrassentür hinaus-, dann die Treppen hinab und anschließend weiter und immer weiter in den Hofgarten hineinführen. Wo sie sich schließlich auf eine Bank setzte und Nicola sie verständnisvoll alleine ließ.
Lucia war so überladen, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Nur allmählich nahm sie ihre Umgebung wahr, sie saß unter einem abgeernteten Marillenbaum, und während sie den Blick durch den leicht bewölkten Himmel schweifen ließ, formierten sich ihre Sinne wieder.
Leonardo hatte sie soeben zum ausgebildeten Künstler ernannt. Nach nur zweieinhalb Ausbildungsjahren in seiner Bottega. War das nicht voreilig? War ihr Können wirklich ausreichend? - Wahrscheinlich schon, musste sie annehmen, denn bereits vor Wochen hatte sie von allen Anerkennung für ihre Marmorbüste erhalten, und ihre beiden letzten Bilder waren sogar bewundert worden, von namhaften Künstlern. Und sie war jetzt selbst ein Künstler. Eigentlich Künstlerin - nein, wenn sie hier blieb, wäre sie weiterhin der Lukas, also ein Künstler, gleichgestellt mit Bernardino und Giovanni, die nunmehr ihre Kollegen waren.
Endlich erwachte Freude in ihr. Sie hatte erreicht, was Alphonse nicht gelungen war, weshalb er es gegen alle Widerstände ihr hatte ermöglichen wollen. Doch heute, endlich am Ziel, konnte sie ihm nur gedanklich zurufen: 'Alphonse, wir haben es geschafft, Leonardo hat mich zum ausgebildeten Artista ernannt!'
Allerdings fühlte sie sich noch nicht reif für diesen Titel. Ob Leonardo sie noch einige Monde in seiner Bottega dulden wird? So sinnierte Lucia weiterhin im Schatten des Marillenbaums, ohne zu bemerken, wie die Zeit dahin flog.
Erst als sie ihre Kollegen, unter ihnen jetzt auch alle drei Gastkünstler, zur Blockhausveranda gehen sah, wurde sich Lucia wieder des Tagesgeschehens bewusst und begab sich ebenfalls zu Tisch.
Die Gastkünstler gratulierten ihr herzlich, und Leonardo, der neben ihr Platz nahm, wollte von ihr erfahren, ob sie sich als ausgebildeter Artista weiterhin in seiner Bottega betätigen wird, worauf sie spontan zusagte:
"Aber jadoch, ich hätte das nicht zu fragen gewagt."
"Und umgekehrt hat der Maestro nicht gewagt, dich das zu fragen", verriet Salai, wofür Leonardo ihn lachend zurechtwies:
"Musst nicht immer alles ausplappern, du!"
Dann wandte sich Leonardo wieder an Lucia: "Bevor ich dich allerdings in die Liste der Künstlergilde eintragen kann, müssen wir noch einige Formalitäten klären."
"Si, sicher", verstand sie, "aber diese Eintragung eilt mir nicht."
"Dennoch sollten wir nicht zu lange damit zögern", empfahl er ihr.
Über Lucias beide Gemälde sprach dann taktvoller Weise niemand mehr, wohl aber über die Verlegung ihres Malplatzes. Lukas gehöre fortan wieder ins Malatelier, waren sich alle einig, und dort werden sie ihm einen schönen Platz einrichten. Heute noch, er möge sich überraschen lassen, weshalb er sich heute Nachmittag im Palazzo nicht sehen lassen dürfe.
"Und heute Abend feiern wir hier auf der Veranda Lukas' Ernennung, wozu auch die Artisti und Garzoni aus der Gießerei und selbstverständlich Carlo eingeladen werden", kündete Leonardo an.
Deshalb ritt Lucia am Nachmittag auf ihrem Oskar mehrere
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