Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
Wunsch", lächelte Madame Rodder und knüpfte sogleich eine Empfehlung daran: "Deinen Vater solltest du künftig ebenfalls duzen, schon, um dir Respekt bei ihm zu verschaffen, hier wie auch drüben im Werk. Dazu erinnere ich dich daran, dass du vom gestrigen Tag an die unangefochtene Besitzerin des gesamten Bellwillhügels bist, also einschließlich des von deinem Vater so begehrten Werkes."
"Das sollte ich wohl tun. Oui, und das Du wird mir bei ihm auch ungehemmt über die Lippen kommen."
Abermals lächelte Madame Rodder erfreut über die Antwort ihrer Tochter und bat sie dann, mit ihr zu kommen.
Sie führte Lucia über den langen mit Holzdielen ausgestatteten Korridor bis in den hinteren Haustrakt, wo sich der Korridor zu einem Kreuz ausbreitete. Von diesem Kreuzpunkt aus noch acht Schritte weiter geradeaus, öffnete sie ihr schließlich rechter Hand die Tür des früheren Musikzimmers. Lucia blickte sich erstaunt in dem großen Raum um, er war jetzt in hellem Terrakotta getüncht, und einige ihrer Möbel waren darin aufgestellt. Anschließend führte ihre Mutter ihr die nebenan liegende und diesseits letzte Stube des Parterres vor. Auch sie war frisch gestrichen und teils mit Lucias Möbeln ausstaffiert.
"Nun wende dich der gegenüber liegenden Flurseite zu", bat Madame Rodder ihre Tochter und erklärte ihr sodann: "Schau, auch diese beiden nebeneinander liegenden Räume habe ich für dich herrichten lassen. Somit hast du nun vier eigene Wohnräume ganz für dich alleine in diesem Haus. Und hinter den Rückwänden dieser beiden Stuben liegt nach wie vor Alphonses und dein herrliches Atelier, also unmittelbar neben deinem Wohnbereich. " Sie machte eine kurze Pause, bevor sie herausstrich: "Nur unter diesen Umständen hat dein Vater mich dazu bewegen können, in dieses Haus einzuziehen."
"Maman, wie lieb von dir."
"Diese Räume nehmen zwar etwas weniger Platz ein als direkt darüber unsere Wohnung, doch für meinen und sicher auch für deinen Geschmack liegen sie hübscher. Denn du kannst von hier aus", sie deutete auf die verglaste Terrassentür am Ende des Korridors, "direkt in den Hintergarten gelangen, der nun durch diese Raumeinteilung ebenfalls deinem neuen Wohnreich angehört."
"Den ganzen herrlichen Hintergarten", Lucia musste sich räuspern, ehe sie weiter sprechen konnte: "nur für mich alleine? - Ein Traum."
Noch aber war Madame Rodder mit ihren Ausführungen nicht am Ende, eins hatte sie ihrer Tochter noch zu vorzutragen. Dazu trat sie nun mit ihr ein paar Schritte zurück in das Hausinnere, und als sie im Flurkreuz standen und sich dann umgewandt hatten, reckte Madame Rodder beide Armen erst in Richtung der weit auseinander liegenden Korridorwände und danach in Richtung Decke, wobei sie erklärte: "Schau, ma Chère, wenn du dir hier eine Tür einmauern und über ihr, für den Lichteinfall, Butzenscheiben einarbeiten ließest, dann hättest du eine abgeschlossene Wohnung." Sie blickte Lucia erwartungsvoll an, da diese sie jedoch nur mit großen Augen und leicht geöffneten Lippen anstarrte, setzte sie verunsichert hinzu: "Habe ich mir alles ausgedacht."
Vor Rührung war Lucia gelähmt, ihre Maman musste sich all die Monde ausgiebig mit ihr beschäftigt haben. Als sie schließlich wieder Herr über sich selbst war, dankte sie ihrer Maman, wozu sie jedoch keine Worte verwandte, vielmehr schloss sie sie in die Arme und drückte sie an sich. Lange. Diese Geste bedeutete Madame Rodder mehr als jedes Dankeswort.
Auch anschließend blieben Lucias Lippen vorübergehend verschlossen, da sie die Vergangenheit vor Augen bekam. Die jetzt für sie hier eingerichteten Räume hatten zu ihres Großvaters Zeiten der Unterhaltung der häufig hier weilenden Gäste gedient. Seinerzeit hatte man darin Musikinstrumente gefunden, Lesematerial, allerlei Brettspiele und immer wieder gemütliche Plauschecken. Jetzt hatte ihre Mutter alle vier für sie hergerichtet und zwar so einladend, dass Lucia geneigt war, sie umgehend zu beziehen.
Mit der Umgestaltung jener Räume hatte Madame Rodder gleichsam ihrem Gatten demonstrieren wollen, dass Lucia nicht mehr seine von ihm unterdrückte Tochter sei, sondern die ihm übergeordnete Herrin des Bellwillhügels. Eine Rollenverteilung, die wohl kein Vater widerstandslos hingenommen hätte. Nur hatte Meister Rodder diese Situation selbst heraufbeschworen, und nun ging er wütend dagegen an. Indes war er trotz seiner Polterigkeit ein unkomplizierter Mann, den man sogar als rechtschaffen
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