Hexenlicht
Adern zu Blei wurde. Kniend fühlte sie sich klein wie ein Kind. Und hilflos. Aber das war wohl der Sinn und Zweck.
»Ein Sterblicher würde es bereits merken. Ich würde sagen, dir bleiben noch höchstens ein oder zwei Tage, die du dem widerstehen kannst, länger nicht. Danach wirst du hungrig, genau wie dein Polizistenfreund.«
»Nein!« Holly sprang so hastig auf, dass sie ein bisschen torkelte.
Alessandro fing sie ab. »Das ist nicht richtig! Es muss andere Möglichkeiten geben!«
»Möchtest du sie an die Dämonen verlieren, Caravelli?«, fragte Omara schnippisch. »Sie hätte keine andere Wahl mehr, als gegen uns zu kämpfen.«
»Aber wenn wir sie markieren, verliert sie ihren freien Willen.«
Holly drehte sich in seinen Armen um und sah ihm ins Gesicht. Die Umstehenden tuschelten, ihre Worte bloß ein Wispern wie die letzten trockenen Blätter im November. Holly versuchte, das hitzige Interesse ihrer Umgebung auszublenden. Dies war nicht der Zeitpunkt, um schüchtern zu sein.
»Hätte ich mehr Freiheit, wenn du mich nimmst?«, wollte sie wissen. »Mehr als mit dem Schwarzen Raub?«
»Ja«, antwortete Omara für Alessandro. »Und du kannst immer noch gegen die Dämonen kämpfen.«
»Ich mache das nicht«, lehnte Alessandro ab.
Omara winkte gelassen ab. »Dann markiere ich sie mit meinem Biss als mein Eigentum. Das oder sie wird exekutiert. Ich kann nicht zulassen, dass Geneva eine Carver-Hexe als Waffe besitzt.«
Alessandro packte Hollys Arm. »Sie ist mein!«
»Moment!« Hollys Nackenhaare richteten sich auf. »Jetzt haltet mal alle die Füße still, ja? Ich bin hier, vor eurer Nase, und ich habe ja wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden! Keine Exekution, kein Beißen!«
Omaras Augen wurden hart wie Achat. »Die Entscheidung liegt bei dir, kleine Hexe. Lass dich von uns kurieren, oder stirb! Wir können deine Persönlichkeit und deine Seele retten. Dämonenmacht zerstört beides.«
Hollys erster Impuls war zu fliehen, aber Alessandro hielt sie fest. Eine weise Vorsichtsmaßnahme. Weglaufen in einem Raum voller Raubtiere war alles andere als klug.
»Ich gehe jetzt«, erklärte sie. »Ich fühle mich bestens. Mac war krank, ich bin es nicht.«
Omara schüttelte den Kopf. »Es arbeitet bereits in dir. Ich kann es riechen.«
»Dann suche ich jemanden, der es behandelt – ohne Bissmale.«
»Es gibt keine Behandlung.« Omara streckte eine Hand nach ihr aus.
Blanke Panik ergriff Holly, und alles, was sie an Magie besaß, explodierte. Gleißend weiße Strahlen schossen durch die Luft, knallend wie altmodische Glühbirnen. Wütendes Heulen drang aus den Schatten, und geblendete Vampire hielten sich die Hände vor die Augen. Holly schrie vor Schmerz. Sie glaubte, Feuer zu riechen, aber ihre Sinne waren viel zu wirr, ein komplettes Durcheinander von Geschmack und Geruch.
Ihre magische Schlagkraft verpuffte nutzlos. Es war Licht, aber keinerlei Kraft darin.
Hier stimmt etwas nicht.
Ihre Magie war völlig hinüber.
Hat das Dämonengift das angerichtet?
Plötzlich wurde ihr schwindlig. Sie kippte auf alle viere – hart. Für einen Moment konnte sie sich nicht rühren. Wegkrabbeln schien eine gute Alternative, aber ihre Gliedmaßen gehorchten ihr nicht. Ein seltsam kriechendes Jucken durchfuhr sie, als ginge ihr an hundert Stellen zugleich die Haut auf.
Alessandro bückte sich über sie, aber sie konnte ihn nur verschwommen sehen. Als er ihre Wange berührte, nahm seine Hand sich wie Eis aus. »Es hat schon angefangen«, stellte er fest. »Ich muss etwas tun. Ich bin das kleinere Übel, hoffe ich. Ich gebe dir alles an Freiheit, was ich kann.«
Ehe Holly reagieren konnte, glitt sein Arm um ihre Taille und hob sie hoch, so dass sie saß. Sie roch das Leder seines Mantels, ein satter Geruch mit einer schwachen Note von Tabak und Blut.
Aus dem Raunen der Zuschauer drangen Worte zu ihr.
Er tut es. Er nimmt die Hexe.
Holly suchte nach ihrer Magie, weil sie noch einen letzten Rest Schutz wollte, aber ihre Kraft war vollkommen erschöpft.
»Davon habe ich geträumt«, sagte er und strich sanft über ihre Ohrmuschel. Bei der Berührung, die sie nur sehr schwach fühlte, spannte ihr Bauch sich an. Er strahlte Verlangen aus wie ein Feuer, das Wärme spendete. Sein Sehnen entflammte sie.
Ach! Wie dumm sie ist!
Die Vampire kamen näher und schirmten das wenige an frischer Luft ab, das in diesem feuchten Keller überhaupt zu bekommen war.
Guck mal, sie wehrt sich immer noch. Als würde das etwas
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