Hexenlicht
war aufgestanden, aber er hatte sie nicht verlassen.
Das würde er nicht tun.
Angst regte sich in ihr.
Würde er?
Holly sah auf die Uhr neben ihrem Bett. Es war acht Uhr abends.
Ich habe den ganzen Tag verschlafen. Wie ein Vampir.
Sie fühlte sich wund, lahm, hungrig und verwirrt. Als wäre Alessandro eine Million Meilen weit weg. Sie brauchte ihn aber an ihrer Seite.
Das ist doch lächerlich! Er ist am anderen Ende des Flurs.
Sie setzte sich auf die Bettkante und tastete auf dem Boden nach ihren Hausschuhen. Stattdessen fand sie seine Socken.
Göttin, was für eine Nacht!
Ein Dutzend Gedanken forderten ihre Aufmerksamkeit, von denen manche sie erhitzten, andere sie vor Zweifeln erschaudern ließen. Einer aber stach aus der Masse heraus: Die Vision von Ashe, die bei ihr war, die zurückgekehrten verlorenen Erinnerungen. Hollys Kräfte, von ihrer jahrelangen Blockade befreit, rauschten durch ihren Kreislauf und vermischten sich mit Macht, Sex – vor allem dem Sex, den sie gerade gehabt hatte – und entwickelten ihre ganz eigene Magie. Die letzten Liebesakte hatten eine Tür in ihrem Innern geöffnet, und auf einmal gehörten der Raum und die Freiheit ihrer Magie wieder ganz allein Holly.
Probeweise entzündete und löschte sie damit die Kerzen im Zimmer. An. Aus. An. Aus. Das hatte sie vorher auch schon gekonnt, nur ging es jetzt viel einfacher, so mühelos wie Atmen.
So fühlte es sich an, als ich klein war. Bevor alles geschah. Damals hatte ich keine Angst vor meiner Magie.
Wie vieles hatte sie durch jenen einen Zauber verloren! Holly hatte ihre Eltern beweint, jahrelang um sie getrauert; dennoch war ihr Tod nur ein Teil der Tragödie gewesen. Auch Ashe hatte sie verloren. Ihre Beziehung war nie wieder dieselbe gewesen.
Und sie hatte Angst vor ihrer eigenen Macht bekommen. Wenn ein Zauber ihre Eltern töten konnte, welches Elend vermochte Magie dann noch hervorzurufen? Holly hatte vor sich selbst Angst gehabt und sich schuldig gefühlt, weil sie damals nicht wusste, wie sie Ashe aufhalten sollte. Mit dem kindlichen Sinn für absolute Gerechtigkeit hatte sie ihre Kräfte amputiert, damit sie und alle um sie herum sicher waren. Sie hatte sogar die Erinnerung an den Zauber sowie die Monate danach gelöscht.
Jene Tragödie näherte sich endlich dem Ende. Holly berührte ihren Hals und erschauderte, als ihre Fingerspitzen Alessandros Bissmale streiften.
Was für ein günstiger Zeitpunkt, wo ich gerade meine Zukunft als Vampirsklavin beginne!
So kann ich nicht leben.
Magie hing mindestens zur Hälfte am klaren Willen des Ausübenden. Sie durfte ihre Erinnerungen und ihre Magie nicht wiedergewinnen, um sie gleich ein zweites Mal zu verlieren!
Ich muss gegen die Markierung kämpfen, mir von meinem Leben greifen, so viel ich kann, und es festhalten.
Holly lief nach unten, um dort zu duschen. Routine,
ihre
Routine, unberührt vom Willen eines anderen, war ihr plötzlich lebenswichtig.
Als sie ins Schlafzimmer zurückkam, war Alessandro dort, halb angezogen. Das zerwühlte Bett hinter ihm wirkte sehr einladend. Holly blieb in der offenen Tür stehen und zurrte den Bademantel fester um sich. Alessandros Anblick machte es ihr unmöglich, sich einen Schritt weiterzubewegen.
Verlangen, Lust, Anziehung, Zugehörigkeit. Das alles waren gute Gefühle, aber nicht in dieser wahnwitzigen Intensität. Holly wollte nichts anderes, als dort weitermachen, wo sie in der Nacht zuvor aufgehört hatten, nackt und ineinanderverschlungen. Ein winziges Wimmern entfuhr ihr, als sie sich zwang, sich nicht von der Stelle zu rühren.
Ich will ihn. Ich will ihn. Ichwillihn!
Er verharrte mitten in der Bewegung, sein Hemd in einer Hand, und sah sie mit sorgenvollen Bernsteinaugen an. »Wie fühlst du dich?«
Wie kann er das fragen?
Holly blickte zu Boden. Sie wusste nicht, wo sie anfangen sollte. »Wenn du dich nicht bedeckst, garantiere ich nicht für meine Selbstbeherrschung.«
Im nächsten Moment hörte sie Seide rascheln. Als sie wieder aufsah, hatte er sein Hemd an, aber die Knöpfe noch nicht geschlossen, so dass ein Teil seiner Brust entblößt war.
Wenig hilfreich.
Sie rieb sich mit einer Hand über das Gesicht. »Du bist wirklich gut, weißt du das? Allemal ein Kandidat für die Sex Hall of Fame. Was immer du auch getan hast, es löste meine Magieblockade.«
Er runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht.«
Sie erzählte ihm von dem Traum.
»Das heißt also, dass dir deine Magie keinen Schmerz mehr bereitet?«, vergewisserte er
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