Hexenlicht
gerade ein bisschen magische Fährtensuche betrieben und bin wohl etwas zu schnell wiedergekommen.«
Eigentlich hätte sie erst einmal üben müssen, mit ihren neuen Kräften umzugehen, nur blieb dafür keine Zeit. Nun sah es aus, als sollte sie, bildlich gesprochen, ihre Führerscheinprüfung beim Grand Prix ablegen.
Cool bleiben oder untergehen, Süße!
Sie ließ sich von Perry wieder auf die Beine helfen.
Hinter ihm stand ein großer dunkelhaariger junger Mann mit strengen Wangenknochen und skeptischem Blick.
Ein merkwürdiger Gesichtsausdruck für jemanden, der so offensichtlich stark ist
, dachte Holly. Sein ganzer Körper strahlte übermenschliche Kraft aus.
»Das ist Lor«, stellte Perry vor. »Er ist von der anderen Seite des Portals gekommen, zusammen mit dem Rest seines Rudels. Er ist ihr Alpha.«
»Rudel?« Holly klopfte sich das Gras von ihrer klammen Kleidung, in der sie fröstelte.
»Wir sind Höllenhunde«, erklärte Lor mit einem bedrohlichen Unterton, als wollte er sie warnen, ihn ja nicht anzugreifen.
»Sie kämpfen mit uns. Im Gegenzug sichern wir ihnen Amnestie zu, denn sie möchten in Fairview leben«, erläuterte Perry, der seinerseits ziemlich geschockt wirkte. »Ich hatte ja keine Ahnung, was für eine Hölle … ich meine … ich wusste von den Dämonen, aber …«
Lor nickte einmal knapp, was wohl als eine Art Begrüßung herhalten sollte. »Falls du gegen Geneva kämpfen willst, musst du alles erfahren. Die Portale führen an einen Ort, der die Burg genannt wird.« Er sprach langsam, mit jener präzisen Artikuliertheit von jemandem, der eine Fremdsprache benutzte, sie allerdings gut beherrschte. Er hatte gar keinen Akzent.
Vielleicht redet er sonst einfach nicht viel.
»Das Dämonengefängnis«, sagte Holly, die sich fragte, was die Höllenhunde auf der anderen Seite des Portals gewesen sein mochten. Dann fiel ihr das Bild in Grandmas Buch ein. Lor passte prima zu den gruseligen Illustrationen.
»Es ist mehr als das. Viele leben dort, Kreaturen aller Arten. Es ist ein gigantischer verschlungener Ort ohne Ende, an dem es weder Türen noch Fenster gibt. Niemand ist je den ganzen Weg an einer der Mauern entlanggegangen und von dort zurückgekehrt, um anderen davon erzählen zu können.«
»Dann sind nicht bloß Dämonen in der Burg eingesperrt?«, fragte Holly verwirrt.
»Es gibt viele Gefangene. Viele Leute. Sie alle wurden dort vergessen.«
Holly war sprachlos.
Wie konnte das geschehen?
Lor fuhr fort: »Der Rufende hat mehrere Anläufe unternommen, um diesen Dämon zu befreien. Und wo immer sich eine Tür öffnete, haben so viele zu entkommen versucht, wie nur konnten. Viele Fehlwandler. Die Hunde. Und schließlich die Dämonin selbst.«
Perry mischte sich ein, der ungefähr doppelt so schnell sprach wie Lor. »Anscheinend waren anfangs ein paar Fehlwandler von unserer Seite mit dabei, die ihre Freunde aus der Burg hergelockt haben, um ein Heer aufzustellen. Sie wandern hin und her, benutzen die Burg quasi als ihre Kaserne. Sie haben ein Zauberbuch, das ihnen das Passwort liefert, mit dem sie ungehindert rein- und rauskönnen.«
Ein Heer. Das erklärt, was ich auf dem Friedhof gesehen habe
, dachte Holly.
»Wir haben über Jahre in Frieden gelebt«, fuhr Lor fort. »Die Burgwachen hatten unsere Ecke des Gefängnisses schon vergessen. Falls Geneva oder ihre Soldaten die auf sich aufmerksam machen, werden die Wachen sich wieder an diesen Teil der Burg erinnern, und dann bestrafen sie alle, die sie dort lebend vorfinden.«
»Würden die Wachen auf unsere Seite wechseln?«, wollte Holly wissen.
»Ja, und vor ihnen muss man sich fürchten.« Lor ballte eine Faust, was weit mehr aussagte, als seine schlichten Worte es vermochten. »Ich bedaure, dass wir die Tür nicht offen lassen und diejenigen befreien können, die es verdienen.«
Holly betrachtete Lor. Er trug grobe Kleidung und blickte sich immerfort misstrauisch um.
Ein entflohener Gefangener. Ein Flüchtling.
Wie viele andere wie er befanden sich noch in der Burg?
Ihre Gedanken wurden abrupt abgelenkt, denn Alessandro kam quer über den Rasen auf sie zu. Sein langer abgetragener Ledermantel wehte hinter ihm auf. Zusätzlich zu seinen üblichen Waffen spannte sich ein nietenbesetzter Gurt über seinen Oberkörper, an dem unten ein versilbertes Breitschwert hing. Es stellte das Erkennungszeichen des königlichen Schwertführers dar und war eigens geschmiedet und versilbert worden, um Unsterbliche zu töten. Mit einer
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