Hexenlicht
Schlimmste war unehrenhafte Knechtschaft.
Eine miese Königin nach der anderen.
Konzentrier dich auf Geneva und den, der diesen seelensaugenden Wanderzirkus nach Fairview geholt hat! Sobald das hier vorbei ist, kannst du dir überlegen, wie du Omara zu Staub machst.
Außerdem war die Vampirdiva des Bösen bereits anderweitig beschäftigt.
Holly konnte Alessandro und Omara als Schattensilhouetten vor den Laternen wahrnehmen, die überall entlang der Campuswege standen. Und sie musste nicht hören, worüber die beiden sprachen, um zu erkennen, dass ihre langjährige Beziehung gerade in die Brüche ging. Die Art, wie ihre Hände durch die Luft schnitten, während sie redeten, illustrierte es mehr als deutlich.
Holly wandte sich ab, weil sie sich wie ein Voyeur vorkam.
Der Abendwind enthielt eine Note von Leder und Kiefernharz, dem typischen Geruch wilder uralter Orte. Werwesen. Die Rudel waren eingetroffen und schnürten in Zweier- und Dreiergruppen über die Wege. Die Zeit der Schlacht nahte.
An die Arbeit!
Holly bündelte ihre Sinne und schloss die Szenerie um sich herum aus. Die Mordopfer waren hauptsächlich Studentinnen gewesen. Alle kürzlich geöffneten Portale hatte sich in oder in der Nähe der Universität befunden: das Flanders-Haus, der Fakultätsclub, das »Sinsation«, der Friedhof; und ihr eigenes Haus war auch nicht allzu weit weg. Was bedeutete, dass etwas hier die Magie stärken musste, etwas, das all diese Orte berührte.
Eine natürliche Kraftquelle?
Sie könnte aus Gewässern oder aus Erdspalten entspringen.
Ley-Linien.
Holly kniete sich ins Gras und tauchte ihre Hände in den dichten feuchten Rasen. Aufmerksam überprüfte sie die Erde, genau wie sie es auf dem Friedhof getan hatte. Nachdem ihre Kraft nicht mehr blockiert war, schien es fast lachhaft einfach. Holly drang tiefer ein.
Und da waren sie: Breite goldene Magnetströme durchzogen die Erde, Pinselstriche von leuchtender Magie, in denen die Kraft des Erdkerns pulsierte. Holly holte staunend Luft. Noch nie zuvor hatte sie Ley-Linien finden können. Sie verliefen so tief, dass die meisten Hexen sie bestenfalls fühlen, nicht aber sehen konnten. Und Holly besaß nicht bloß Kraft, sie besaß eine
Menge
Kraft.
Und die Schmerzen blieben aus!
Mit ihrem Geist folgte sie den Strömen. Sie verzweigten sich in alle möglichen Richtungen, liefen aber mehr oder minder ostwärts, unter der Universität hindurch und dann südlich vom Friedhof. Holly ließ sich von der stärksten Linie mitnehmen, die ihren Geist wie ein winziges Boot zum Meer trieb.
Die Erde wurde schneller, als die Strömung der Ley-Linie im Tempo eines Wagens unter der Stadt hindurchrauschte. Es dauerte keine Minute, bis die Turbulenzen kamen. Elektrizität durchfuhr Holly, ein physisches Gefühl, obwohl sie die Energie nur mit ihren Gedanken berührte. Und gleich darauf fing die Kraft an, zu verwirbeln.
Sie entdeckte noch eine Linie, die von Norden nach Süden verlief. Sie war mächtiger, dunkel wie alter Rum und donnerte an ihr vorbei. Sie war kühl und wild, karg wie verlassene Eislandschaften. Die beiden Flüsse kollidierten, krachten mit einer Wucht zusammen, unter der die ätherische Atmosphäre erbebte. Energie zuckte in Blitzen aus dem magischen Strudel. Es war haarsträubend, wunderschön und schrecklich zugleich. Holly ließ ihren Geist aufwärtstreiben, um die Quelle des Sturms zu entdecken.
Sie befand sich unter dem Flanders-Haus.
Tja, das dürfte das eine oder andere erklären!
Was für eine geniale Grundstückswahl für ein Hexenhaus! Selbst ohne die Zusatzverstärkung durch den Dämon wäre jener Zauber, der dem Haus sein Gefühl verlieh, durch den Strudel an Kraft unter dem Fundament erheblich gestärkt worden. Kein Wunder, dass es so schwer gewesen war, es niederzuschlagen.
Angesichts dieses unterirdischen Kraftnetzwerks war klar, weshalb der Rufzauber funktioniert hatte. Die Energie durchdrang die Campusluft wie Nebel. Geneva konnte sie problemlos schöpfen. Sie hatte sich ein wahres Arsenal als Schlachtfeld ausgesucht.
Aber ich kann diese Waffe ebenfalls benutzen.
Holly zog ihren Geist langsam wieder zu sich zurück. Sie schwankte ein wenig, dann setzte sie sich ins Gras und senkte den Kopf zwischen ihre Knie.
»Geht es Ihnen gut?«
Die Dunkelheit machte sie noch schwindliger. Sie blinzelte einige Male, ehe sie Perry erkannte, der ein kariertes Hemd und eine Jeans trug. Sorgenfalten standen auf seiner Stirn.
»Ja, ich bin okay. Ich habe nur
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