Hexenlicht
der Angreifer rückwärts aus dem Zimmer stolperte. Jetzt bemerkte sie, dass er ein dickes Buch in einer seiner großen Pranken hielt. Dann kippte er gegen die Wand, und schon stand Alessandro vor ihm, das Schwert zum tödlichen Schlag erhoben.
Er war einen winzigen Moment zu spät.
Sein Gegner wich dem Hieb mit einer Seitwärtsrolle aus. Sobald er wieder auf den Beinen war, rannte er in Richtung Treppe. Holly duckte sich zur Seite und fühlte den Luftzug, als er an ihr vorbeipreschte.
Alessandro blieb rutschend neben ihr stehen. »Ich muss ihm nach. Er sagt, dass er ein Wächter ist.«
»Das hat er gesagt?«
»Ja, und er hat das Buch.«
»Das Buch der Lügen?«
Alessandro schien erstaunt, dass sie den Titel kannte. »Ja, ruf Perry! Er muss ganz in der Nähe sein. Er soll dich zu Omara bringen.«
»Nein!« Das Gift in ihrem Körper brodelte auf und machte sie panisch, dass Alessandro sie verlassen könnte. »Tu das nicht! Geh nicht!« Verzweifelt bedeckte sie ihr Gesicht mit beiden Händen.
Alessandro schwieg.
»Entschuldige!« Sie sah zu ihm auf. »Da spricht das Gift. Natürlich musst du gehen.«
Er wirkte perplex, zugleich aber auch ungeduldig. »Verschwinde nach draußen, und warte! Halte dich außer Sichtweite! Du hast deine Magie, also passiert dir nichts, aber bleib dem Kampf fern!« Er zeigte auf das kleine Zimmer. »Und sieh zu, dass du von dem Portal wegkommst!«
Mit diesen Worten rannte Alessandro zur Treppe. Holly hielt den Atem an, als er sprang, seine Arme ausbreitete und mit wehendem Mantel über das Treppengeländer flog. Dann war er fort.
Entgeistert starrte sie dorthin, wo sie Alessandro eben noch gesehen hatte, bevor er seinem Gegner nachflog. Sie hatten das Buch gefunden, was großartig war, doch nun war sie allein.
Sie konnte fühlen, wie das Gift mit doppelter Intensität an ihren Nerven zerrte. Es war so viel einfacher, mit allem klarzukommen, solange Alessandro sich in der Nähe aufhielt.
Holly atmete tief ein und langsam wieder aus, während sie sich angestrengt einredete, dass dieses nagende Gefühl zu jemand anderem gehörte.
Als sie Perrys Nummer wählte, landete sie auf seiner Mailbox, wo sie eine Nachricht hinterließ. Der Empfang war grottenschlecht, was wahrscheinlich an dem Portal lag.
Alessandro hatte gesagt, dass sie das Haus verlassen sollte. Ja, er hatte es ihr befohlen. Ihre Füße drehten sich wie von selbst. Aber etwas verboten zu bekommen, war nun einmal der größte Anreiz schlechthin, es erst recht zu tun. Automatisch blickte sie in das verbotene Zimmer.
Ich will das Portal sehen!
Nachdem der Wächter fort war, blieb nichts als ein Streifen orangefarbenen Lichts. Der Zauber war noch nicht vollständig gewesen, und nun brach das Portal zusammen. Dabei zuzusehen, könnte sie einiges Nützliche lehren, beispielsweise, wie sie selbst ein Portal schloss.
Alessandros Anweisung war klar gewesen, und sie trug sein Zeichen. Abermals wollten ihre Füße sie zur Treppe bringen. Der Drang fühlte sich wie ein klebriges Netz an, das sie vorwärtszog.
Weg von mir!
Sie versuchte, sich von der hartnäckigen Energie freizumachen, doch sie ließ sich nicht abwehren. Vielmehr schien sie ihren Griff um Holly noch zu verstärken. Kochende Wut machte ihre Konzentration zunichte, so dass sie sich noch tiefer in dem Netz verfing.
Weg! Von! Mir!
Sie war sicherer gefangen denn je.
Also erstarrte sie, um der Falle nicht noch mehr Kraft zu verleihen. In kleinen Stößen rang sie nach Luft und bemühte sich, ihren Geist zu beruhigen.
So darf ich nicht sein. Nein, das darf nicht sein!
Wut. Verzweiflung. Es war alles sinnlos. Stattdessen entdeckte sie den Geist ihres Willens, jenen flackernden Schatten, den die Markierung übrig ließ.
Ich bin stark genug. Natürlich bin ich das! Ich bin die Ley-Linien entlanggewandert. Ich habe die Tür gesprengt.
Ungehorsam war schwieriger.
Egal! Mit all der Energie unter diesem Haus kann ich immer noch meine Magie benutzen.
In ihrem Kopf formte sie das Bild eines Messers und streckte ihre Sinne zu der wilden Erdkraft unter dem Haus aus. Sie wirbelte unter Hollys Berührung, brodelnd vor Leben.
Es war die Essenz der Natur, die Seele des Bodens unter ihr. Rebellisch, barbarisch, ungezähmt.
Frei.
Sie nahm von der Kraft, um ihren Willen zu formen, zu verfeinern und zu stärken. Dann stellte sie sich das Messer mit Silberklinge zu Hause auf ihrer Kommode vor, das sie aus dem Kistenversteck unter ihrem Bett befreit hatte. Sie war es leid, ihre
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