Hexenlicht
Silberklinge geköpft zu werden, bedeutete selbst für sie den endgültigen Tod.
Alessandro blieb vor Holly stehen, umfing ihr Gesicht mit beiden Händen und küsste sie. Die Energie zwischen ihnen flirrte auf, so dass sie weiche Knie bekam. Sollte die Dämonin doch warten! Sie wollte,
musste
in seinen Armen liegen. Im Aufenthaltsraum für Studenten müssten Sofas stehen. Oder sie suchten sich ein leeres Zimmer im Wohnheim. Oder eine Arbeitsnische.
Perry und Lor regten sich und machten der Umarmung mit verlegenem Räuspern ein Ende. Alessandro ließ Holly los und hob den Kopf, um im Wind zu schnuppern. Ein leerer Pappkaffeebecher trudelte den Weg hinunter, gejagt von einer Böe.
»Die Feen sind da.«
»Ich dachte, sie wären neutral«, sagte Perry.
»Sie wollen auch nicht kämpfen, aber sie sind bereit, die Menschen auf Abstand zu halten. Sie haben an der Nordseite Stellung bezogen«, erklärte Alessandro und wandte sich zu Lor. »Hunde patrouillieren die äußere Campusgrenze. Sie fangen die Menschen ab, die es an den Feen vorbeigeschafft haben, damit sie nicht in die Schlacht geraten. Notfalls jagen sie ihnen Angst ein. Die Werwölfe kämpfen mit den Vampiren zusammen. Omaras Truppen decken den Südteil ab, von ihr angeführt.«
»Wenn sie die Vampire anführt, was machst du dann?«, fragte Perry.
»Ich passe auf Holly auf. Sie ist unsere wichtigste magische Waffe. Ruf mich umgehend auf dem Handy an, sowie du hörst, dass Geneva sich irgendwo gezeigt hat!«
»Ich habe das Energienetz hier gefunden«, schaltete Holly sich ein. »Vielleicht können wir darüber schneller erfahren, wann sie sich nähert. Ich muss bloß auf Störungen achten. Bevor ein Portal aufgeht, gibt es einen Energiefunken. Und wenn wir den entdecken, wissen wir frühzeitig, wo sie auftaucht.«
»Woher wissen wir, dass sie selbst ein Portal öffnet?«, erkundigte Alessandro sich.
»Lor sagt, dass sie ihre Armee in der Burg versteckt.«
Interessiert sah Alessandro den Höllenhund an. »In der Burg? Kein Wunder, dass wir keine Fehlwandler aufspüren konnten!«
Perry klopfte Lor auf die Schulter. »Gehen wir!« Sie drehten sich um und liefen nach Norden.
Alessandro trat so dicht an Holly heran, dass sich beinahe ihre Ärmel streiften. Sie konnte die Spannung in der Luft fühlen, als würde sie das Gemisch aus Furcht und Aufregung berühren, das sämtliche Kreaturen hier erfüllte. Es erinnerte sie an die Stimmung in einem Stadion unmittelbar vor Spielbeginn.
»Wie ist es mit Omara gelaufen?«, wollte sie wissen.
»Ich bin nicht mehr ihr Diener. Mir reicht es, mich dauernd in ihren Lügen zu verfangen.« Er rückte seinen Waffengurt zurecht. »Wir sollten uns eine sichere Stelle suchen, von der aus du nach … nach was auch immer suchst.«
»Nein, sicher ist nicht gut. Ich sollte im Zentrum der Energie bleiben.«
»Okay, und wo wäre das?«
»Wir müssen ins Flanders-Haus zurück.«
Alessandro sah wenig begeistert aus.
[home]
28
D as Flanders-Haus war nicht mehr tot.
Wie Tage zuvor schon einmal stand Holly an der Pforte, eine Hand auf dem Pfosten. Alessandros Mantel strich ihr über die Seite. Mürrisch starrte das Haus sie unter seinen Giebeln heraus an, die Veranda um sich herumgewickelt wie abweisend verschränkte Arme. Genau wie vorher.
Doch nicht alles war unverändert. Von einem Birnbaum baumelte ein Streifen Absperrband der Polizei, der Rasen war von Dutzenden schwerer Stiefel zu Matsch zertreten worden, und Hollys Phantasien über Alessandro waren Wirklichkeit geworden.
Bedenke, was du dir wünschst, denn es könnte in Erfüllung gehen!
Gift kribbelte in ihren Adern, ein unterschwelliger konstanter Drang. Sie gierte nach Alessandros Berührung – maßlos. Ihm nahe zu sein genügte kaum, um das Sehnen zu bändigen. Einzig purer Trotz zwang Holly, sich zu konzentrieren. Dieser und ihr Widerwillen gegen dieses Haus.
Es war kein Flüstern zu hören, keine Stimmen; dennoch spürte sie deutlich den Missmut des Hauses. Nein, es war nicht mehr tot. Etwas oder jemand hatte es wiedererweckt.
Was auch das orangefarbene Licht aus den oberen Fenstern bewies.
Den nächsten Hinweis erhielten sie durch einen Angstschrei und den Krach zersplitternden Holzes.
Alessandro machte eine Hockwende über die Pforte und zog im Laufen sein Schwert. Holly folgte ihm dicht auf den Fersen und sprang in zwei Schritten die Veranda hinauf.
»Abgeschlossen!«, stellte Alessandro fest.
»Zur Seite!«, wies Holly ihn an.
Nachdem sie wusste,
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