Hexenlicht
groß.«
»Nicht, wenn du gewillt gewesen wärst, sie zu retten. Dann hättest du ganz anders gehandelt.«
»Du stellst mich absichtlich böse dar.«
»Ich kenne dich.«
»Du nahmst dir, wonach du gegiert hast.«
»Ich hätte mich beherrschen können.«
»Was ich in Frage stelle. Ich wette, du verzehrst dich in diesem Moment nach ihrem Blut.«
Es gab keine gute Erwiderung auf ihre Behauptung. Alessandro wandte den Blick von Omara ab.
Wenn ich Holly liebe, muss ich mich der Hölle stellen, sie zu verlassen. Alles andere wäre ihr Untergang.
Eine unermessliche Wut packte ihn, übelkeiterregend wie ein fieses Gift. Omara wäre freundlicher zu ihm gewesen, hätte sie ihn getötet.
Er wurde das Bild von Hollys Gesicht nicht los, als sie ihm erzählte, was ihre Großmutter gesagt hatte. Sie war kreidebleich gewesen. Ja, Holly war stark. Sie hatte weder geweint noch herumgeschrien. Aber in ihren Augen hatte er die schiere Fassungslosigkeit gesehen, dass ihrer beider Leben für nichts zerstört worden war, weil Vampire nun einmal grausame Spiele trieben.
Dieser Moment hatte alles verändert. Etwas in Alessandros Seele war mit einem hallenden Knall zugefallen. Und jetzt wusste er, was es war. Er hatte eine Entscheidung gefällt, und das bedeutete, dass er Omara hinter dieser geschlossenen Tür weggesperrt hatte, zusammen mit seiner Loyalität ihr gegenüber.
»Mein Wohlwollen macht dich kühn, mein Bester«, bemerkte Omara und bleckte dabei die Oberlippe, um ihre Reißzähne zu zeigen. »Deine Herzensangelegenheiten sind nicht mein Problem.«
Beinahe hätte Alessandro gelacht. Die Ironie des Ganzen machte ihn krank. »Wohlwollen? Du hast das kleine bisschen Frieden zerstört, das ich gefunden hatte – sei es aus Eifersucht oder aus Berechnung.«
Für einen Moment hing die Wahrheit in der Luft, erstickend giftig und drückend. Dennoch war Alessandro ruhiger, nun, da er es ausgesprochen hatte. Womit die Frage blieb, was er als Nächstes tat.
»Ich habe stets dem Wohl unserer Leute gedient.«
»Öffentliche Fürsorge ist kein Freibrief für private Grausamkeit.«
Omara öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Ein Ausdruck von Empörung, gepaart mit Überraschung, huschte über ihr Gesicht. Alessandro indessen verzog keine Miene.
»Es gibt Wichtigeres«, erwiderte sie und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Nachdem sie zuvor gänzlich emotionslos erschienen war, wirkte diese schlichte Geste geradezu dramatisch. »Geneva ist der traditionellen Form treu geblieben. Sie hat jedem der nichtmenschlichen Anführer ein Messer geschickt.«
»Beeindruckend – wenigstens hat sie Stil!«
Omara wartete, während der Wind ihnen beiden das Haar zerzauste – sein helles, ihr dunkles. »Ist das alles, was du zu sagen hast?«
Hier war sie, die Weggabelung, die Alessandro zwang, sich zu entscheiden. Was ihm nicht weiter schwerfiel. »Was gibt es zu sagen? Ich werde heute Nacht kämpfen, aber nur, weil der Dämon uns alle bedroht. Ich kämpfe nicht für
dich
. Ich war dein Ritter, aber du hast meine Loyalität verraten, mein Vertrauen missbraucht. Du verdienst meine Lehnstreue nicht.«
Omaras Augen funkelten blassgolden auf. »Du bist mein Gefolgsmann.«
»Und du hast mich so großzügig für meine Dienste belohnt.«
»Tut mir leid. Das war mein Fehler.« Omara sah ihn an, allerdings weniger selbstsicher als eben noch.
Alessandro kannte diesen Ausdruck. »Was ist passiert?«
»Der Albion-Clan ist meinem Ruf nicht gefolgt. Der gesamte Clan ist aus Fairview verschwunden, bis zum letzten Jungvampir.«
Pierces Clan.
»Verrat.«
Omara gestikulierte hilflos. »Du gewinnst. Ich hätte auf dich hören sollen, als du meintest, dass sie mit allem zu tun hätten.«
Geschickt hatte die Königin seinen Zorn von sich abgelenkt, was Alessandro durchaus bewusst war. Trotzdem dachte er über das nach, was sie eben gesagt hatte. Der Albion-Clan verfügte über die besten Kämpfer.
Wortlos legte Omara ihre Hand auf seine, und alles, was sie zu sagen hatte, steckte in dieser Berührung:
Komm zurück zu mir!
Alessandros Atem stockte. »Nein«, beantwortete er ihre stumme Bitte.
»Kämpfst du heute Nacht für mich?«, fragte sie. Es dürfte die direkteste, ehrlichste Frage gewesen sein, die er jemals von ihr vernommen hatte.
»Ja.«
Danach, falls es ein Danach gab, würde er sich sowohl aus Omaras Diensten als auch aus der Gesellschaft seinesgleichen verabschieden. Manche Dinge waren schlimmer als Einsamkeit. Und das
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