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Hexenlicht

Hexenlicht

Titel: Hexenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Ashwood
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sich anfühlte, ihn allein zu lassen. Alles schien aus dem Gleichgewicht. Ihre Wiedervereinigung hatte etwas irritierend Schales gehabt, wie ein süßes Brötchen, in das man hineinbiss und feststellte, dass es in der Mitte noch nicht durch war.
Mist!
    Bei dem Vergleich fiel ihr ein, dass ihr Abendessen schon eine ganze Weile zurücklag. Hungrig und innerlich leer schlurfte sie den Gehweg entlang. In der Menge um das Haus herum war neue Unruhe ausgebrochen, doch Holly war egal, worum es ging.
    Sie bemerkte, dass Alessandros Wagen nicht mehr dort stand. Als sie zu Ben gegangen war, hatte sie ihn noch gesehen, also musste Alessandro in der Zwischenzeit weggefahren sein.
Er hätte sich gern verabschieden dürfen!
Sein sang- und klangloses Verschwinden machte sie mürrisch. Schließlich waren Ben und Alessandro die beiden Gründe, weshalb sie noch hier war. Was offenbar keinen von ihnen interessierte. Ebenso gut hätte sie sich längst klammheimlich verziehen können.
    Und es wurde Zeit, zu einem Abschluss zu kommen und nach Hause zu fahren. Sie suchte Raglan und bekam ihr restliches Geld. Teils war ihr nicht wohl dabei, es anzunehmen. Nicht dass sie sich ihren Lohn nicht doppelt verdient hätte, aber ihr Schuldomat kreischte, sie hätte weder mehr als die Hälfte der Opfer noch Raglans Investition gerettet.
    Als sie Raglan stehen ließ, telefonierte dieser mit seinem Handy und schimpfte auf seinen Versicherungsvertreter ein. Wie es sich anhörte, würden sie sich zoffen, bis Raglans Akku leer war. Seine polternden, panischen Beschimpfungen zerrten an Hollys Nerven, also eilte sie lieber davon. Raglans Wut richtete sich gar nicht gegen sie, aber ihr Gefühl, versagt zu haben, reichte aus, dass sich ihr jeder Kraftausdruck mitten ins Herz bohrte.
    Gierig atmete sie die klamme Nachtluft ein und ging ein Stück, um einen klaren Kopf zu bekommen.
    Dann sah sie Alessandro, der an der Seitenwand des Nachbarhauses lehnte und im Schatten beinahe unsichtbar war. Er hob eine Hand zum stummen Gruß. Das schwache Licht der Straßenlaternen gelangte bis zu seinem langen lockigen Haar und verlieh ihm einen zynisch anmutenden Heiligenschein.
    Sein Anblick sorgte dafür, dass ihre verebbende Energie einen kleinen Schub bekam. Als sie ihn erreicht hatte, stemmte er sich von der Hausmauer ab.
    »Was tust du hier?«, fragte Holly. »Ich dachte, du wärst schon weg. Wo ist dein Auto?«
    »Ich habe es umgeparkt, in die Seitenstraße«, antwortete er. »Ich muss auch los, aber ich wollte vorher sehen, ob es dir gut geht.« Er trat einen Schritt auf sie zu und sah sie prüfend an.
    Das war das erste Nette, was irgendjemand seit der entsetzlichen Geschichte in dem Haus zu ihr gesagt hatte. Und so bescheuert es war – sie wollte auf der Stelle losheulen.
    »Du hast mir Angst eingejagt«, gab Alessandro zu und umfing ihr Gesicht mit beiden Händen.
    Es war eine ziemlich altmodische Geste, vertraut und höflich zugleich. Prompt zog sich Hollys Bauch zusammen, in dem es wohlig warm wurde, denn sie erinnerte sich vage, wie er sie hochgehoben und an sich gedrückt hatte. Alessandro hatte sie in seinen Armen zum Krankenwagen getragen.
    Seine Hände an ihren Wangen zu fühlen, tat gut. Vampirhaut war weich wie Seide, kühl wie Satin, und Alessandros Berührung war empfindsam, geübt. Sie wünschte sich seine Hände überall auf ihr, wo immer Haut war, die gestreichelt werden konnte, weil ein bisschen Kontakt nicht genügte. Das war das Schöne und Gefährliche an seiner Spezies: Vampire bewirkten stets, dass ihre Opfer ein kleines bisschen mehr wollten.
    Holly holte tief Luft. »Ich bin okay.«
Im Moment sogar ganz besonders okay
.
    »Gut.«
    »Danke, dass du mich rausgebracht hast.«
    »Jederzeit wieder.« Plötzlich beugte er sich vor und küsste sie mit seinen kühlen weichen Lippen auf die Stirn. Es war ein scheuer, ja, beinahe ein brüderlicher Kuss. Dennoch wich Holly zurück, denn das harmlose Streifen seiner Lippen hatte dieselbe Wirkung auf sie wie brennendes Verlangen.
    Sofort ließ Alessandro sie los, senkte den Blick, fing sich jedoch gleich wieder und lächelte sie an. »Ein Glück, dass du da warst, Holly! Du solltest jetzt auch verschwinden. Fahr nach Hause, und ruh dich aus! Ist heute Nacht jemand bei dir? Ben vielleicht?«
    Holly kniff die Augen zu. Sie wollte wahrlich nicht an Ben denken. »Nein, ich bin allein. Aber das ist in Ordnung«, versicherte sie und bemühte sich, gelassen zu klingen.
    »Dann fahr jetzt, und sei vorsichtig!

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