Hexenlicht
Wiedererkennen. Er gehörte ihr. Seine Sicherheit hing von ihrer Gnade ab.
Er fühlte ihre Wange an seinem Rücken. »Warst du einsam ohne mich?«, fragte sie.
Ich hatte meinen Frieden ohne dich
, dachte er, beherrschte sich jedoch, als er sich in ihren Armen umdrehte. »Meine Königin«, sagte er, steckte sein Messer ein und ging auf ein Knie.
Omara war winzig; sie trug einen Hauch aus azurblauer Seide, und ihr Haar hing in einem langen schwarzen Zopf geflochten über einer Schulter. Ihre Augen erinnerten Alessandro an dunklen Honig, ihre Haut an blassen Zimt. Obwohl älter als Menschengedenken, sah sie wie einundzwanzig aus.
Sie war eine Kreatur von unfassbarer Macht – allein in seinem Haus.
Das kann nichts Gutes bedeuten
, dachte er, während eine diffuse Furcht sich in ihm regte. Sein Bericht war überfällig, und er hatte niemanden als Nahrung anzubieten. Außerdem hatte er seit einer Woche nicht mehr gestaubsaugt. Nicht zu vergessen die Campus-Morde.
Kann sie schon wissen, dass einer von uns dafür verantwortlich ist? Warum ist sie hier? Und warum ist sie allein gekommen?
Die Antworten erhielt er in dem Moment, in dem das Verlangen aufloderte. Sie beugte sich hinab und küsste ihn, streichelte ihn mit ihrer Zunge. Alessandro konnte ihre Macht schmecken, heiß und scharf, als sie ihn erkundete, ihn leckte und ihre Lippe an seinen Zähnen aufkratzte. Blut sickerte hervor, kräftiger und süßer als jedes andere. Das Elixier einer Königin.
Die Zwillingstriebe Hunger und Lust erhoben sich von Neuem, zwangen ihn, sich wieder aufzurichten. Sie war seine Gebieterin, und er sehnte sich danach, ihr in allem zu dienen. Er wusste, wie er es schaffte, dass sie jede königliche Würde vergaß. Vielleicht konnte sie ihn sein schmerzliches Verlangen nach Holly vergessen machen.
Grob stieß Omara ihn weg. Ihre Augen funkelten amüsiert. »Wie ungeduldig du bist!« Sie strich mit einem Finger über seine Lippe, wo sie die letzten Spuren ihres Blutes wegwischte. »Und wie erfreulich, dass ich dich ganz zu meinem Vergnügen habe, ohne Clan, ohne dass ein Vorfahr unter uns ist! Solch exklusive Loyalität ist erstaunlich rar.«
Alessandro senkte den Blick und verfluchte seinen Körper, weil dieser so prompt reagierte. Er fürchtete sie, denn sie kannte seine Schwäche. Jeden Tag seines unsterblichen Lebens litt er unter seiner Einsamkeit. Eines Tages würde er daran zerbrechen.
Omara ließ ihn stehen, ging zur Couch und setzte sich mit angewinkelten Beinen hin, so dass ihre Füße auf dem Polster auflagen. Sie hatte ihm gezeigt, welche Macht sie über ihn besaß, nun waren die Eröffnungsnettigkeiten vorbei.
»Eine interessante Wohnung hast du dir ausgesucht.« Sie blickte sich gelassen im Raum um. »Karg, aber mit wenigen ausgesuchten Stücken möbliert. Eine passende Staubschicht, um die Morbidität zu unterstreichen. Du brauchst einen Diener.«
Sprachlos stand er da, stumm vor unterdrücktem Verlangen.
Sie strich mit ihrer Hand über den Couchtisch und betrachtete prüfend ihre Fingerspitzen. »Wie wäre es mit einer französischen Zofe?«
Alessandro hatte Mühe, klar zu denken. Seit Jahren war er der Repräsentant der Königin in Fairview, und zuvor war er jahrhundertelang ihr Bediensteter gewesen. Sie hatte ihn schon in ihrem Haushalt aufgenommen, bevor sie die Krone trug.
Entsprechend wusste er aus Erfahrung, dass es gefährlich war, sich auf ihre Spiele einzulassen.
Ihre Miene wirkte eindeutig angespannt. Was konnte ein Wesen für Sorgen haben, das hinreichend mächtig war, um über Dutzende Vampirclans zu herrschen? Omara stellte ihre Füße auf den Boden und setzte sich gerade hin. »Bitte, setz dich doch!«
Alessandro sank in einen Sessel, so dass er seine Königin über Stapel Bibliotheksbücher hinweg ansah, die auf dem Couchtisch verteilt waren. Reue quälte ihn: die Nachwehen des neckenden Kusses. »Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?«, fragte er bemüht höflich.
Sie blickte hinab, als wäre sie fasziniert von den Falten im Couchleder. »Mein Kopf steckt voller Probleme, die ich weder mit Feuer noch mit dem Schwert lösen kann. Mir gefallen diese modernen Zeiten nicht.«
Alessandro holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. Die plötzliche Veränderung des Tonfalls war typisch für Omara. »Bist du enttäuscht, dass all die Van Helsings dieser Welt ihre Pfähle und ihr Weihwasser gegen Steuerprüfungen eintauschten?«
»Ich habe hochbezahlte Buchhalter, die sich mit diesen kleinen
Weitere Kostenlose Bücher