HexenLust 1
Feldherrn gehört haben musste. Zuzutrauen wäre es Bashir. Immerhin war es nicht das erste unbezahlbare Artefakt, welches über Umwege den Weg in seinen Laden geschafft hatte und wofür er astronomische Summen verlangen konnte.
»Guten Abend, Isabelle.«
Tatsächlich. Er erschien mit einem dicken Buch im Arm.
»Hallo Bashir«, sagte ich und strich mit dem Finger über eine uralte Porzellanspieluhr.
»Ich hatte damit gerechnet, dass du mir heute Abend noch einen Besuch abstatten wirst.«
Vielleicht war das eine der Eigenschaften, die mich schon immer an ihm gereizt hatte, neben seiner Intelligenz, des messerscharfen Verstandes und seiner Belesenheit. Natürlich, wenn man schon Hunderte von Jahren lebte, konnte man einiges an Wissen anhäufen. Jedoch brachte niemand dieses auf eine charmantere Art rüber als Bashir. Er war bestimmt kein Bad-Boy, hatte noch die Zeit miterlebt, als Ritter voller Edelmut strotzten und Burgfräulein retteten. Wenn nur alle Männer einen Bruchteil von seinen Eigenschaften hätten, dann hätten wir Frauen gar nichts mehr, worüber wir meckern könnten.
»Du möchtest etwas über die vier Brüder wissen.« Langsam schritt er auf mich zu, der Rollkragenpullover spannte ein wenig über seinem muskulösen Oberkörper. Die dunklen, schulterlangen Haare hatte er zurückgekämmt und mit ein wenig Haarwasser gebändigt. »Und du möchtest etwas über Nikolai erfahren, willst zwischen Wahrheit und Fiktion, zwischen Realität und Gerücht unterscheiden können«, sagte er ruhig und mit amüsiertem Unterton.
Ich nickte wortlos.
Er bedachte mich mit einem verstehenden, umwerfenden Lächeln. Normale Menschen würden ihn vielleicht für einen sehr attraktiven Mittdreißiger mit jugendlichen Gesichtszügen halten. Ich wusste es besser, obwohl sein richtiges Alter auch mir verborgen blieb und er sein wahres Geburtsjahr verheimlichte wie einen kostbaren Schatz.
»Darf ich fragen, liebe Isabelle, ob du heute den Garten umgegraben hast?«
Jeden anderen hätte ich mit einer Druckwelle an die nächste Wand geschleudert. Doch nicht Bashir. Ich grinste verlegen.
»Ich hatte ein wenig Stress mit Golem-Dämonen.«
Er ging in die kleine Teeküche, reichte mir ein warmes, duftendes Handtuch, womit ich mein Gesicht reinigen konnte. Er liebte diese kleinen Extravaganzen des Lebens. Teuren Scotch, exquisite Zigarren, feinste Anzüge und glänzende Oldtimer. Natürlich war dieses kleine Ladenlokal nur eine Deckadresse, sein Refugium. Im Hintergrund florierte der Handel mit magischen Artefakten und das schon seit Jahrzehnten, wenn nicht noch länger.
»Ja, Golem sind widerspenstige Kreaturen.« Bashir fuhr sich nachdenklich über sein glattrasiertes Kinn. »Zumindest, wenn man nicht ihr Meister ist. Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?«
Dabei deutete er mit einer einladenden Geste in die Ecke des kleinen Ladens, wo sich zwei herrlich gemütliche Sessel vor einer Wand aus unzähligen Büchern präsentierten.
»Oh ja, bitte«, hauchte ich ohne Stimme und warf mich auf eine der Sitzgelegenheiten. Der Kampf hatte doch mehr Spuren hinterlassen, als ich zugeben wollte. Ein dumpfer Schmerz hämmerte zwischen meinen Ohren, sodass ich mich abstützen musste und meine Schläfen rieb. Wenn man zu viel Magie einsetzte, war diese Art der Überanstrengung nicht selten bei Hexen. Ich konnte tatsächlich einen Drink vertragen. Nach einiger Zeit kam er mit einer Flasche zurück, die aussah, als hätte sie beide Weltkriege überlebt. Er bestätigte meinen ersten Eindruck.
»Ein The Glenlivet aus dem Jahr 1886«, erklärte Bashir, als könne er meine Gedanken lesen, während er die bernsteinfarbene Flüssigkeit in zwei Gläser goss.
»Es ist eine der letzten sieben Flaschen.«
Mit einem genüsslichen Lächeln schwenkte er das Glas vor seiner Nase.
»Der rauchige Geschmack nach Eiche, vollkommen der aufsteigende Duft, ein temperamentvoller Anstieg der Gier, welche sich nach dem ersten Schluck ins Unermessliche steigert.«
Er wollte, dass ich ebenfalls diese formvollendete Zeremonie durchführte. Doch ich tat ihm diesen Gefallen nicht, brauchte ich doch nur etwas, um die Schmerzen zu betäuben.
»Cheers!«
Mit einem herausfordernden Lächeln kippte ich einen großen Schluck hinunter. In diesem Moment konnte man den Altersunterschied von mehreren Hundert Jahren aufs Deutlichste spüren. Doch während andere Dämonen altklug oder mit voller Arroganz auf uns junge Hexen herabsahen, hatte er mir sogar geholfen, in dieser
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