Hexensabbat
ganz in sich und in die Worte des Dechanten versunken; sie war erschreckt und erschüttert, und gewann erst wieder die Gewalt über sich, als sie sich in den Armen des Dechanten sah, und einen brennenden Kuß seines Mundes auf ihren Lippen fühlte.
Sie stand auf, ganz mit Röte übergossen, sah sich um, und bemerkte, daß die Dienerinnen sich entfernt hatten. Sie ging durch den Saal, und drückte den Arm des Geistlichen von sich, der sie in vertraulicher Umschlingung begleiten wollte. Ich sehe Euch erschüttert, sagte er endlich, und das ist, was ich am wenigsten erwarten konnte.
Wie? rief Catharina, so wenig habt Ihr mich gekannt? O über die klägliche Bestimmung des Weibes! Sind wir nicht ganz wie alte Basen und Muhmen, ganz eingewickelt in Herkommen und in trübe Langeweile des Hauswesens, so meint jeder, wir sind auch als freie Beute jedem Gelüste preisgegeben. Daß der Pöbel von mir so denkt, habe ich verachten können; daß aber diejenigen, die sich meine Freunde nennen, mich nicht achten und verstehn, muß mich innigst kränken. Ja, tief schmerzen muß es mich, mich selbst, mein Geschlecht und die Natur muß ich verachten, daß ein Mann, der mir würdig dünkte, den ich mir befreundet wähnte, mir diese Worte sagen, diese Vorschläge einreden darf. Es ist denn doch ein Zeichen, daß in allen, allen Männern eine tiefe unvertilgbare Verachtung der Weiber und ihrer Bestimmung wohnt, die manche nur, wenn sie sich für verliebt ausgeben, leicht mit Phrasen und süßen, eigenliebigen Gefühlen verhüllen. Durch meine Jahre glaubte ich endlich vor aller dieser Mißhandlung, die die Männer immerdar an der Schönheit ausüben, die sie anzubeten wähnen, gesichert zu sein; ich folgte meinen unschuldigen Launen, ich ergötzte mich am Geiste und an der Reife der Männer; ich hatte mit meinem Leben und allen Hoffnungen abgeschlossen; mein Gefühl und mein Herz wahrte ich und trug meine Leiden nicht zur Schau, um die Heiterkeit der Gesellschaft nicht zu stören, und diese Opfer wie Mitteilungen ziehen es mir zu, daß ich verkannt und erniedrigt werde. Ihr sprecht von der Freiheit, als dem edelsten Besitz des Geistes, und nehmt doch schon ohne Frage an, das Weib könne nur ein Genuß, ein Zeitvertreib sein, geadelt genug, wenn sie Euren Sinnen Befriedigung gewährt. Daß sie auch in der Liebe selbst ein Opfer bringt, daß sie auch im süßesten Einverständnis fürchten muß, im Herzen, das ihr ganz ergeben, möchte jenes Gefühl der Verachtung erwachen, welches sie und ihr ganzes Geschlecht erniedrigt, daß sie also immerdar, auch angebetet, auch beglückt, immerdar an jenem Abgrund steht, der sie und die Liebe in jedem Augenblick verschlingen kann, das ist Euch in Eurer tyrannischen Männersicherheit noch niemals eingefallen. Ja, jener Fluch, den die erste Mutter des Menschengeschlechtes empfing, ist keine bloße Sage, die bittre Wahrheit, die täglich, stündlich jedem fühlenden Herzen in Erfüllung geht. Ich muß glauben, daß auch in der wahren, edlen Liebe des besten Mannes, in seiner Schwärmerei und Begeisterung, diese Verachtung unsers Geschlechtes, diese unbewußte Verhöhnung des Edelsten in uns, einen Teil seiner Schwärmerei ausmachen muß.
Wie Ihr es nun nehmt, deutet und nennt, rief der Dechant sehr bewegt: mit andern Worten, Ihr seid Weiber und wir sind Männer; um dieses klare Geheimnis, um dieses Rätsel, welches keiner Lösung bedarf, dreht sich alles. Das einfache, ungetrübte Naturgefühl weiß von diesem Schmerz und dieser Grübelei nicht, es nimmt selbst den Scherz und alle Empfindungen, die Ihr krampfhaft aufgeregt Verachtung nennt, leicht und heiter auf. Sei alles, was Euch schmachvoll dünkt, nun auch Naturnotwendigkeit; aber warum Fluch? Alles, was lebt, hat seine Schranken, und lebt nur in diesen; alles, was Ihr ersinnt und denkt, könnt Ihr Euch nur in Bedingung, in Beschränkung denken; das Unbedingte, Schrankenlose ist ein Nichts. In diese Bedingung sich heiter fügen, sogar den Vorteil dieser Schranken verstehn, ist die Aufgabe des Lebens, und die Liebe, wie Ihr auch widerstreiten mögt, gleicht alle diese Widersprüche und Kämpfe am schönsten aus. Wer von den Sinnen und der Sinnlichkeit geringe denken will, der muß auch alle Kunst und Poesie verdammen, und warum soll ihm der Schmuck der Natur und die Farbe der Blumen, der Wohllaut der Musik und alle Schöpfung irgend etwas sein? Schlimm, verehrte Frau, daß gerade das, was ich an Euch hochschätzen mir Euren tiefsten Unwillen
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