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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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einer Sache zu bereden, die ihrer Gemütsweise entgegen war.
    Leise öffnete er die kleine Tür, und indem er die innere öffnen wollte, sprang ihm eine Ziege so heftig entgegen, daß sie ihn bald umgerannt hätte. Sich da! sieh da! rief der kleine Mann aus, was schafft sich denn unsre alte Wahrsagerin für gehörnte Freunde an, die den Fremden so ungestüm begrüßen! Stille, stille Kind! Du mußt bei unsrer feinsprechenden Gertrud um eine bessere Erziehung bitten.
    Er machte die Türe auf, und vor ihm drängte sich die Ziege in die kleine, finstre Stube. Nur wenig Licht fiel durch die runden, verfinsterten Scheiben, am grellsten hob sich ein hölzerner Christus am Kreuz hervor, der lebensgroß die eine ganze Wand bedeckte, mit Farben bemalt. Der vermagerte Leichnam, mit den stark hervorgetriebenen Rippen in der hochgewölbten Brust, dünnen Beinen und Armen war einer jener widerwärtigen, mit denen viele Kirchen und Kapellen verunziert waren.
    Die Alte kauerte im Winkel, so klein zusammengezogen, daß sie fast unsichtbar war. Wundrich entdeckte sie an der Ziege, die sich vor sie stellte, um von der Alten gemelkt zu werden. Bei diesem Geschäft kehrte das Tier sein kluges Gesicht mit den starren großen und gespaltnen Augen zu dem Küster wie höhnisch herum, als wenn es ihm deutlich machen wolle, wieviel Recht es habe, in der Kammer zu sein.
    Die Alte begrüßte ihren Bekannten mit einer kleinen Bewegung des Hauptes, indem sie ungestört, und ohne ein Wort zu sagen, ihr Geschäft verrichtete. So habt Ihr Euch ja eine Gesellschafterin zugelegt, sagte Wundrich; die Einsamkeit ist Euch doch wohl zu lästig geworden. Der Springinsfeld ist aber für Eure Haushaltung etwas zu munter, wenn Ihr ihn nicht als Türhüter anstellen wollt, der mit Hörnerstoßen die Fremdlinge von Eurem Palaste abweist.
    Die Alte ging jetzt, ohne nur aufzusehen, mit der Schale, in welcher sie die Milch gefaßt hatte, stillschweigend in eine finstre Kammer. Nach einiger Zeit kam sie zurück, öffnete stumm die große Tür und ließ die Ziege heraus, die nach dem Hofe sprang, auf welchem sich ein schmaler Grasplatz befand.
    So, sagte Wundrich, nun sind wir allein und kein Mensch kann unser geheimes Gespräch behorchen und verraten. Nicht wahr? Nun, so redet doch, alte gute Meisterin, die Ihr hier abseits wie eine Hexe oder Zauberin wohnt. Kocht Ihr brav Liebestränke? Beschwört Ihr Euch wohl selbst ein Liebchen daher? Kommen viele Kunden zu Euren Sprüchen? Warum redet Ihr denn heute so gar nichts?
    Wenn Ihr vernünftig anfangt, sagte die Alte, so gibt es vielleicht etwas zu antworten.
    Hier, sagte der Küster, nehmt, was mir eingekommen.
    Ohne das Paket anzusehen, legte es die Alte in einen Kasten.
    Es ist Gold dabei, sagte Wundrich, verzettelt es nicht; ich bringe Euch diesmal viel.
    Viel oder wenig, sagte Frau Gertrud; es ist da und wird morgen nicht mehr da sein; die Not wächst immer, wie die Saat auf dem Felde, und das Almosen will immer nicht zur Sichel werden, es zu schneiden. – Setzt Euch.
    Wohin? sagte Wundrich; altes Kind, ich werde mich, wie die Ziege vorher, da auf vier Beine hinstellen, und Euch so in das blasse Angesicht schauen.
    Da, antwortete sie, ist der kleine Schemel unter dem Kreuz; lehnt Euch an das.
    Und so dem Heiland den Rücken kehren? fragte der Geistliche.
    Das tut Ihr ja doch immer, erwiderte sie; wenn er Euch einmal anblickte, würdet Ihr Euch die unnützen Reden abgewöhnen. Ihr seid gut, aber Ihr könntet noch viel besser werden.
    Der Küster setzte sich auf den niedern Schemel und lehnte sich an das Bild; die Alte aber kauerte wieder in ihren Winkel und nahm einen Rosenkranz in die dürren Hände.
    Wie geht's Euch sonst? fragte Wundrich.
    Wie immer, antwortete sie, gut; ich kann meinem Schöpfer und Heiland nicht dankbar genug sein, wie ich hier schon im irdischen Leben so überschwenglich glücklich bin.
    Es ist erbaulich, sagte er, daß Ihr Euch so begnügt. Aber neulich, als Euch die Buben ein Loch in den Kopf geworfen hatten, das Euch viele Schmerzen machte; wie war es da?
    Ach! erwiderte sie fast lachend, ich habe durch meine Sünden viel Schlimmeres verdient.
    Ihr sündigt nicht, Alte! rief Wundrich gerührt, schweigt still, Sibylle, und lästert Euch nicht selber, gutes, liebes Weib.

Ihr kennt mich nicht, sagte sie gelassen, ich bin so sündig, wie irgendein Mensch, und der Herr ist so gütig und freundlich gegen mich, daß er nicht mit mir ins Gericht hat gehen wollen. Die Wunde ist ganz geheilt, und

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