Hexensabbat
war. Dieser ging dem Dechanten entgegen, und erzählte ihm, wie die alte Gertrud immer noch phantasiere und das Fieber nicht weichen wolle. Die Krankheit der alten Frau hatte Aufsehn in der Stadt gemacht, und alle erkundigten sich nach dem Zustande der Frommen. Es ist seltsam, berichtete der Küster, wie im Phantasieren alle ihre Begriffe sich verwirren. Bald hält sie sich für verzaubert und klagt die bösen Menschen an, die ihr die Bosheit angetan haben, dann verwechselt sie sich mit jenen, und erzählt, sie selbst sie diese Zauberin, und der böse Geist habe sich ihr einverleibt, um den ehemaligen guten aus ihr zu vertreiben. So sucht und verliert sie sich abwechselnd und ich fürchte, sie hat ihren Verstand auf immer verloren.
Es ist zu fürchten, sagte der Dechant, doch sind freilich die Beispiele seit neuerdings nicht selten, daß durch die Imagination, bösen strengen Willen, und durch seltsame Künste das Gemüt eines andern bezwungen werden kann.
Wie? Herr Dechant! rief Friedrich aus, mit dergleichen unbegreiflichen Vorstellungen kann sich Euer Verstand vertragen? Das sind ja eben die verwirrten, gottlosen Begriffe, gegen welche der erleuchtete Geistliche kämpfen müßte, um sie gänzlich und auf immer auszurotten.
Junger Mann, erwiderte der Dechant mit einiger Hoheit, solange die Kirche, die Konzilien, und alle Kirchenväter nebst dem Papste und dem Kollegio der Kardinäle die Möglichkeit der Bezauberung, der Einwirkung böser Geister zugeben und als Lehrsatz aufstellen, solange dieser nicht von jenen aufgehoben und vernichtet wird, sind wir beide wohl zu schwach und ungelehrt, ihn für Unsinn erklären zu dürfen.
Catharina sah ihren Verehrer verwundert mit großen Augen an, und Friedrich rief unwillig aus: Nun wahrlich, wenn wir dahin zurückkehren sollen, so ist es besser, Denken und Sinnen aufzugeben, um nur im finstern Joch des Aberglaubens wieder zu wandeln. Und von Euch, geehrter Mann, hätte ich, wie wir Euern Scharfsinn zu kennen glaubten, diesen Ausspruch wohl am wenigsten erwartet, denn wir schienen uns über diese Punkte zu verstehn.
Was Zweifel und vertrauliche Mitteilung sich erlauben, sagte der Dechant, sollte von den Klugen auch immer nur als ein Pfand der Freundschaft angesehen und geachtet werden. Ein andrer bin ich als ein armer, irrender Mensch, der Scherz versteht und befördert, und der sich auch wohl Zweifel, Einwürfe und Grillen erlauben darf: und ganz ein andrer bin ich als Priester oder Bürger des Staates, oder Teilnehmer am großen christlichen Bunde. Wie ich mich den Befehlen meines Herzoges, den Gesetzen der Obrigkeit unterwerfen muß, so muß ich auch jenen Satzungen Folge leisten, die mir die Kirche hinstellt, wenn meine armen hinfälligen Sinne sie auch vielleicht nicht begreifen können.
Catharina war verwirrt, Friedrich aber in Zorn. Das ist es ja, rief er entrüstet, worüber seit Jahrhunderten der Streit der Geister hinüber und herüber geht. Wenn die Besseren und Klügeren nicht mehr zusammenhalten wollen, so werden von dem erst neu aufgeführten Gebäude die Stützen hinweggeschlagen, und woran sollen sich die Vernünftigen in Zukunft anders erkennen, als an der Vernunft?
Wir wollen nicht streiten, sagte der Dechant, am wenigsten mit Heftigkeit, denn umstoßen werden wir die Stellen der geheiligten Offenbarung niemals, in denen von Bezauberten und bösen Geistern die Rede ist, die Erklärungen dieser hochwichtigen Worte und Erzählungen sind auch schon lange von den ehrwürdigsten Männern, nicht ohne Inspiration, festgestellt. Lernen sollen wir, nicht meistern. Aber auch insofern wir uns außer der Kirche, als zweifelnde, irrende Wesen befinden, können wir doch wohl manches begreifen, was auch jener Offenbarung auf natürlichem Wege entgegenkommt. Wer vermag denn die wunderbare Kraft des Willens zu leugnen? Was erfinden, erstreben, gewinnen wir nicht durch diesen, wenn wir ihn zur höchsten Kraft und Energie hinaufspannen? Soll unsre Herzensliebe auf Freunde, Verwandte und Kinder keinen Einfluß haben? Soll unser Gebet, wenn die ganze Inbrunst des Herzens fleht, die Geister des Verstorbenen nicht erreichen, oder in unsre Nähe ziehn? der Liebende erzählt ja wie oft, daß er die Gedanken und Gefühle seiner Verlobten aus weiter Ferne ahndet. – Und wie? Dem bösen, kräftigen Willen, der sich ganz in seiner herben Bosheit zusammenzieht, ihm sollte alle Kraft des Wirkens mangeln? Vielleicht ist dieser noch stärker als jener, da sich unsre verderbte Natur
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