Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
Vom Netzwerk:
zitternd auf, und alle gingen mit ihr, indem die Diener sie in einen kleinen Sessel legten. Jetzt wurde diesen aufgetragen, nach einem Wundarzt zu gehn, und der Kanonikus zeigte sich vorzüglich teilnehmend. Herr Dechant, sagte er zu seinem Freunde gewendet, dieser Tag ist mir ein Freuden- und Trauertag, den ich nicht leicht vergessen werde. Freudig ist er mir, da ich Eure edle Gesellschaft genossen habe, und dann noch zur Bekanntschaft eines Wesens gelangte, das ich, nach meiner Einsicht, heilig nennen muß, wenn man irgendeinen Sterblichen also nennen darf. Höchst traurig ist dieser Tag, da wir den Hohn und die Schmach gesehn, mit welchem der Pöbel immerdar das Göttliche verfolgt.

Ach Gott! ach Gott! rief die Alte jetzt, soll man so hohe Herren in meiner Hütte sehen? Ich bitte, bitte, entfernt euch, Hochwürdige, damit ich mich wieder besinnen kann, denn ihr paßt nicht für diese Wände.
    Was ist Euch, was ist Euch, Mutter Gertrud? tönte jetzt aus der kleinen Kammer eine matte Stimme. – Der Küster wurde blaß und Gertrud rang die Hände, als sie sah, daß sich der Kanonikus erhob. Bleibt! bleibt! schrie sie ängstlich; laßt die Türe zu, um Gottes willen! Erlaubt mir, daß ich in meinem Hause auch etwas zu befehlen habe, ich bitte demütig.
    Der Kanonikus aber hatte die Tür schon geöffnet, sah hinein, und fuhr mit dem Ausdruck zurück: Wie? der Mörder Denis hier? der meinen Neffen umgebracht hat? der Mensch, den die Fürsten so emsig suchen lassen? – Den beherbergt Ihr? – O wunderbarer Tag und höchst wunderbare Entdeckung!
    Die Diener kamen mit dem Wundarzt, welcher die Wunden der Alten, die jetzt wieder ohne Bewußtsein war, untersuchte und verband. Der Kanonikus sandte die Diener sogleich wieder nach einer Tragbahre, um den Kranken nach dem Spital zu bringen, der sich erschreckt in seine Kissen verhüllt hatte.
    Jetzt kamen die Träger mit der Bahre, und man nahm den Kranken vorsichtig aus dem Bette. Er schloß die Augen, indem er durch das Zimmer getragen wurde; die Alte aber erhob sich weinend und klagend: So wird mir, rief sie aus, mein teuerstes Kleinod so grausam entrissen und geraubt, und von Männern, welche behaupten wollen, daß sie mich achten und lieben! Ach! der Arme! Nun soll er reden, Antwort geben und vielerlei treiben, und kaum hält noch Leib und Seele zusammen. Meine Erquickung und Erbauung, mein Trost geht mit dem Elenden aus meinem Hause, und ich weiß nicht mehr, weshalb ich noch leben soll.
    Der Kanonikus trat zu ihr und sagte: Ich gehe jetzt mit jenem Denis, um selber zu sehn, daß er gut behandelt und so verpflegt werde, wie sein Zustand es erfordert. Ihm soll, liebe, fromme Frau, kein Unrecht geschehen, und ich will, wenn es nötig ist, selber sein Verteidiger werden, obgleich er mich am schmerzlichsten gekränkt hat.
    Er ging mit den Trägern und Dienern fort; der Wundarzt, welcher jetzt mit dem Verbande fertig war, entfernte sich ebenfalls, mit der Erklärung, daß er am Abend wiederkommen wolle.
    Der Dechant setzte sich jetzt zu der Kranken, faßte ihre zitternde Hand und sagte: Ich irre mich nicht, gute Frau Gertrud, dieser Schreck und diese Wunde haben Euch so erschüttert, daß Ihr aufgereizt und in krampfhaftem Zustande Euch befindet. Sammelt Euch wieder, daß Ihr gesund werdet, beruhigt Euch und faßt darin einen Trost, daß viele rechtschaffene Männer der Stadt, viele Geistliche und fromme Menschen Eure Aufopferung und Tugend anerkennen. Lebt in der Stadt, in unserer Nähe, so seid Ihr auf immer den Mißhandlungen eines rohen Pöbels entzogen.
    Nein! nein! rief sie aus, ihr könnt mich nicht beschwatzen, lieber vornehmer Herr Dechant. Ich bin jung gewesen und habe in der Welt gelebt; auch war ich nicht immer so arm, wie Ihr mich jetzt seht. Kein Vertrauen auf die Vornehmen, keine Freundschaft mit den Reichen! – Die Liebe Gottes kennen sie nicht, Mitleid und Erbarmen sind ihnen fremd; Eigennutz ist ihr Kopfkissen, Grausamkeit ist ihr Bett. Was soll ich unter diesen? Ich habe nicht vor dreißig Jahren schon diesen Zustand gewählt, habe nicht damals alles fortgegeben, und befinde mich seit so langer Zeit wohl und glücklich, um unter Eure billige, kluge, verständige Menschen wieder zurückzugehn, die für jede Schande und jede Mißhandlung eine scheinbare Ausrede haben. Seit ich die Bettler kenne, kenne ich die Herzen, welche mein Heiland angerührt hat. – Aber wahr ist es, ich bin tief, tief erschüttert. Seit mein Kleinod aus der Hütte fortgeschleppt

Weitere Kostenlose Bücher