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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Tieck
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ist, sehe ich keinen Trost für mich. Und die Jungen auf der Straße haben darin recht, daß diese Ziege gewiß ein böser Geist oder ein Kobold ist, der den Armen verraten und mir das Unglück zugezogen hat. – Küster, lieber Freund, laßt das böse Tier gleich nachher abholen, denn ich kann es nicht mehr vor Augen sehen.
    Ihr glaubt nicht, fuhr der Dechant fort, daß Euer Zustand mich rührt, daß ich Euch meine Liebe beweisen möchte. Ihr seid zu eigensinnig und halsstarrig, und Euer Sinn weist meine Freundschaft zurück! Ist das fromm und christlich? Ist es recht?
    Herr Dechant, sagte die Alte, Eure Zunge ist weich und Eure Stimme sanft. Mein Geist treibt mich an, ich möchte und sollte Vertrauen zu Euch fassen, aber dann stößt es mich wieder von Euch zurück, Eure Miene, Eure Augen – das Herz zieht sich zusammen, und ich möchte weinen und verzweifeln.
    Ihr seid im Fieber, sagte der Dechant, und Arznei muß Euch vorerst helfen.
    Ja! ja! rief sie mit verzerrtem Antlitz und fast lachend, Krankheit, Wahnsinn ist Euch Menschen alles, was nicht mit Euren feinen Rechnungen stimmt. Seit ich mich mit meinem ganzen Herzen zum Heiland gewendet habe, wollte ich mit dieser gepriesenen Vernunft nichts mehr zu schaffen haben. Beten, Mitleid bedürfen und Mitleid üben, hungern und den Hungernden trösten ist seitdem mein Handwerk gewesen; Ihr, Hochverständiger, macht so viele Ausnahmen, Ihr findet stündlich, der und jener habe sein Unglück verdient, als wenn Ihr selbst schon der Richter wäret der Lebendigen und der Toten. – Ja! ja! Ihr habt recht das Antlitz, Herr Dechant, als möchtet Ihr gern Menschen zu Qualen verdammen! O weh! Euer feuriges, kluges Auge schneidet mir durch die Seele! – Ach! Ihr werdet mich und andre quälen! Nein, Ihr liebt mich nicht! Es steht ein dunkler, scharfer Geist hinter Euch, der es nicht leidet, daß Ihr Euer Herz zu einem so armen, alten, häßlichen Weibsbilde wendet. Ja, ja, wie ich sagte, Ihr auch seid grausam, Ihr habt Freude an der Qual, und die Liebe Gottes ist nicht in Euch! Weh dem Tage und der Stunde, da so vornehme Besuche in meine Hütte gekommen sind!
    Der Dechant sah den Küster mit einem ungewissen, fragenden Blicke an, und dieser, welcher sich zurückgezogen hatte und am Fenster stand, sagte: Sie ist krank, ehrwürdiger Herr, wie Ihr selber bemerkt habt, sie weiß eigentlich nicht mehr, was sie spricht, und darum könnt Ihr auch der Armen nichts zum Übeln deuten.
    Daß sie meine Freundin ist, werde ich ihr beweisen, antwortete der Dechant, so wenig sie auch geneigt scheint, meinen Worten Glauben beizumessen.
    Er gab der Alten die Hand und entfernte sich nachdenkend, indem er in der Tür noch sagte: Freund Wundrich, vergeßt es nicht, heut abend noch zu mir zu kommen.
    Die Alte sah dem Scheidenden mit einem scharfen Blicke lange nach und sagte dann, indem sie sich wieder aufrichtete: Ich bin ganz gesund, der Dechant versteht sich auf Krankheit nicht besser wie auf Christentum. Ja, ja, er mag sich nur vorsehen, daß er mit seinem anscheinend guten Willen nicht mein Übeltäter wird. Sein Verstand ist auch nicht einer der hellsten und dauerhaftesten; weltlich ja, aber nach dem Überirdischen reicht sein brauner, feuriger Blick nicht, den hat er zu tief in die Glut der Leidenschaft getaucht. Wenn man ihm recht ins Auge schaut, so versteht man wohl, was die Geister zu bedeuten haben, die die Gestalten der Engel des Lichtes annehmen können. Das ist nun schon Dechant und des Bischofs rechte Hand, das denkt natürlich darauf, auch Bischof zu werden. Das Unglück von diesem, das Leiden von jenem, der Sturz eines dritten, die Zurücksetzung eines vierten, das Wohlgefallen der Vorgesetzten, Schmeichelei dem Mächtigen, nicht widersprechen dem Herrscher, dem Fürsten sich gefällig machen, den Bürger freundlich grüßen, bei den Brüdern für gelehrt und weise gelten, das sind die Staffeln der Leiter, auf welcher diese Menschlein hoch und höher steigen. So war aber die Leiter nicht, von welcher Jakob im Traum die Engel herniedersteigen sah. Jene Staffeln waren Demut, Geduld, Liebe, Freundschaft und Dienstbarkeit. Wehe dem, der noch mit der Welt sich will zu schaffen machen, und doch Christo angehören. Niemand kann zweien Herren dienen. Jawohl!
    Wundrich sagte: Alte, liebe Freundin, ich kenne Euch gar nicht wieder. Wo ist die Geduld von ehemals, die stille, einfache Demut, jene Einfalt, mit der Ihr Euch von allen heftigen Gedanken und Leidenschaften abwendetet? Tut nicht

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