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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegrit Arens
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sie noch einmal die Tür zur Rumpelkammer, sie wollte wissen, was Till hier gewollt hatte. Sie trat an das kleine Fenster und sah hinaus, so wie er eben. Aber sie konnte nichts erkennen. Nur ein paar Lichter in den Fenstern gegenüber, im Wohnzimmer der Maibaums lief der Fernseher, sie zogen die Vorhänge nur an der Vorderseite zu, es war wie immer.
    Anna erinnerte sich an die seltsame Stellung von Tills Armen, als sie ihn überrascht hatte, die Oberarme hochgeklappt wie Flügel. Er hatte sie rasch sinken lassen, und er hatte auch irgend etwas in der Hand gehabt. Sie zog die Schubladen der Kommode unter dem Fenster auf, zwischen den Hämmern und Schrauben und Wäscheklammern lag ein Feldstecher, ohne Hülle. Sonst lag das Glas stets sorgfältig verpackt in seinem Futteral unten im Dielenschrank, es kam selten zum Einsatz, wann brauchte man schon ein Fernglas? Anna nahm es in die Hand und hob es an die Augen. Der Fernseher der Maibaums rückte auf sie zu, und als sie das Glas hochschwenkte in das Stockwerk darüber, blinkte etwas, es mußte ein Spiegel sein, und ein heller Fleck bewegte sich. Sie drehte an der Einstellung, zuerst wurde alles groß und zerfloß, dann drehte sie in die andere Richtung, nun bekam das Bild Schärfe. Die blinkende Fläche gehörte zu einem Spiegelschrank, die Spiegeltür stand offen, und darin sah sie einen nackten Frauenkörper, ausgestreckt auf dem Bett, das unter dem Fenster stehen mußte, eigentlich unsichtbar, wenn da nicht dieser halboffene Spiegelschrank gewesen wäre.
    Mein Gott, dachte Anna, zuckte zurück und ließ das Glas sinken. Sie wußte, wer die Frau dort drüben war und was sie tat, getan hatte, der Körper lag da mit weit gespreizten Beinen. Wie unter einem Zwang sah sie wieder hin, korrigierte noch einmal die Feineinstellung. Es war merkwürdig, in das geöffnete Geschlecht einer fremden Frau zu sehen. Die Hand ruhte leicht gekrümmt auf der Innenseite des Oberschenkels, der sehr weiblich war, gerundet, nicht dick. Anna überkam Wut. Till war ein Spanner. Zu allem Überfluß war er auch noch ein Spanner, stahl sich in die Intimsphäre einer fremden Frau. Morgen würde er sie auf der Straße anlächeln und daran denken, er würde sie immer so sehen, wie sie vor seinen Augen masturbiert hatte. Es war gemein und schäbig. Sie haßte ihn dafür. Dafür auch.
     
    Tags darauf musterte Anna nach dem Duschen ihre Fußsohlen. Mit ein bißchen Creme ist das nicht getan, dachte sie, die Hornhaut war dick und an einigen Stellen rissig, sie traute sich nicht selbst mit dem Hobel daran; ab und zu gönnte sie sich deshalb eine medizinische Fußpflege.
    Beim Bäcker traf sie Ramona Koller. »Hast du noch einen Termin frei?« fragte sie spontan. »Meine Füße sehen schrecklich aus.«
    »Um zwölf«, bot die andere an.
    »Gern. Danke.«
    Um zwölf Uhr ging Anna hinüber, sie mußte nur die Straße überqueren, Ramona hatte ihr kleines Geschäft und die Wohnung im Haus gegenüber. Anna zog ihre Strumpfhose aus. »Zuerst links, bitte!« bat Ramona. Anna streckte den nackten Fuß aus und beobachtete, wie die Frau sich darüber beugte, das Gesicht senkte sich, und Anna sah auf die am Hinterkopf zusammengebundenen Haare, offen reichten sie bis zur Taille. Sie sah auf die gekrümmte Wirbelsäule, der BH-Verschluß malte sich unter dem dünnen Kittel ab. In der Kabine war es warm, die Fußpflegerin trug nur einen Büstenhalter und einen Slip unter dem weißen Kittel. Als sie sich nach dem Fußbalsamspender dehnte, zeigten sich die rundlichen Hüften und Schenkel unter dem dünnen Stoff. Anna schluckte, sie hatte wieder das Bild von gestern abend vor Augen, dieses geöffnete Geschlecht. Ob es bei ihr selbst auch so aussah? Sie hatte sich nie angeschaut da unten, nur gefühlt, manchmal. Till mochte das nicht. Till!
    »Ist was?«
    »Wie?« Anna riß die Augen auf, sah in das erstaunte Gesicht der anderen Frau. »Nein!« antwortete sie. Hoffentlich hatte sie sich nicht verraten. Es war gut, daß die Frau dort nichts ahnte von alldem.
    Als Anna gerade die Fußpflege verlassen wollte, früher war hier ein Schuster gewesen, begegnete sie dem fünfjährigen Sohn von Ramona Koller. Ab und zu hatte sie die Frau in Begleitung gesehen, aber die Männer wechselten, vermutlich war keiner davon Rubens Vater; jedenfalls hatte Anna noch nie einen Mann mit dem Kind spielen sehen. Es war ein seltsamer Junge, er grüßte nicht und zog den Kopf zwischen die Schultern, sobald er angesprochen wurde. Trotzdem sagte

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