Hexensabbat
»so was Süßes wie dich gibt es garantiert nur einmal.«
»Mein Sternzeichen ist Zwilling.« Es war unglaublich, wie sie rotwerden konnte. Das Rot flammte über ihre Wangen und hinab über den Hals bis zu dem runden Ausschnitt des weißen T-Shirts. Till stellte sich einen Augenblick vor, wie es über die spitzen Brüste kroch, die sich unter dem dünnen Baumwollgewebe abzeichneten; diese kleinen Kegel waren etwas völlig anderes als die Brüste einer erwachsenen Frau, sie hatten etwas sehr Rührendes.
Sie zerrte an ihrem Finger, den Till noch immer festhielt. »Deine Frau«, sagte sie und sah sich um, aber Anna schien sich nicht um ihren Mann und seine Partnerin zu kümmern, sie tanzte weiter, der Typ hatte beide Hände auf ihrem Rücken verschränkt. Reichlich tief, er will ihr den Hintern kraulen, dachte Till, und sie hält auch noch still. Rasch sah er wieder das Mädchen in seinem Arm an, Andrea. »Du bist süß«, sagte er zu ihr und küßte ihre Fingerkuppe, der Nagel war kurzgeschnitten und auch nicht lackiert. Diese Hand war sehr kräftig für eine solch zarte Person, die Innenseite war hart, besonders an den Ballen. Sexy, fand Till und rieb noch einmal mit dem Daumen über die rauhe Stelle. »Gehen wir etwas trinken?« schlug er vor und ließ endlich ihre Hand los.
»Und Ihre Frau?«
Till legte die Hände kreuzweise gegeneinander. »Da ist nicht mehr viel …«
»Ach so!« Sie senkte den Kopf, zupfte an der Nasenspitze und bog die hin und her. »Das muß schlimm für Sie sein«, sagte sie endlich.
»Vielleicht auch nicht«, erwiderte Till und hob mit seiner Hand ihre Kinnspitze an. »Jetzt gehen wir etwas trinken. Sekt! Damit du mich nicht weiter wie einen alten Opa siezt.«
»So war das nicht gemeint. Wirklich nicht.«
»Also?«
»Ja«, sagte sie und lächelte, beim Trinken schluckte sie heftig, es gab ein leise gurgelndes Geräusch, und sie hielt die Hand vor den Mund. »Tschuldigung!«
»Du mußt nicht schon wieder rot werden.«
»Es ist schlimm. Ich werde so schnell rot.«
»Es ist niedlich. Sehr niedlich.«
»Du bist lieb.« Sie sah ihn nicht an, sie sah auf einen Punkt auf seinem Jackett.
»Bin ich das?« Till sah sie an.
»O ja!« sagte sie. Sie hatte graue Augen. Er bemerkte es erst jetzt, als sie ihn voll in ihre weiten Pupillen mit dem grauen Ring blicken ließ. Es war kein eintöniges Grau, sie benutzte kein Make-up, allein dieses Grau bildete einen pikanten Gegensatz zu der blassen Haut und dem feinen blonden Gekräusel auf ihrem Kopf, das sehr helle und dünne Haar betonte noch ihre Mädchenhaftigkeit. Till dachte nicht mehr an Anna und auch nicht an Ramona. Er fühlte sich wohl. Sehr wohl.
Anna
Es war die reine Gewohnheit. Fast hätte Anna die Ladentür geöffnet und wäre in »Die Blume« hineingegangen.
»Die Blume« gab es schon, seit die Liebolds in der Brüderlingasse wohnten. Die alten Leute, denen das Geschäft gehörte, verkauften nur ganz frische Ware, der Mann ging noch selbst auf den Großmarkt, obwohl er an Rheuma litt. »Es ist fürchterlich zugig in den Hallen«, klagte seine Frau, die auch schon über sechzig war, aber i hr Mann ließ es sich nicht nehmen, jeden Morgen um vier loszufahren. »Wir sind es unserer Kundschaft schuldig«, sagte er. Seit die beiden Leute das junge Mädchen eingestellt hatten, blond und schmal und sehr freundlich, bestellte Anna hier auch Sträuße, die sie verschenken wollte. Die neue Hilfskraft hatte ein Gespür für Farben, ihre jungen Finger konnten geschickt binden und stecken. Die Alten hatten das nicht mehr geschafft, sie banden nur etwas Grünzeug zwischen die Stengel und fertig.
Anna hatte schon die Klinke in der Hand, sie brauchte Blumen für ihre Mutter. Etwas Gelbes, dachte sie und sah in die Auslage, die sehr schön dekoriert war, ein Stück Vorfrühling in dem trüben Februarwetter, es nieselte schon wieder. Sie drückte auf den Metallgriff, da tauchte dieses blasse Gesicht über einem Büschel Osterglocken auf, die grauen Augen sehr groß und kindhaft, um den dünnen Hals baumelte ein Medaillon, es verhakte sich an einem Zweig. Das Mädchen sah aus, als ob es gleich zu weinen anfangen wollte, es riß heftig an der Goldkette.
Die »Ich-bin-ja-noch-so-klein-Masche«, dachte Anna, so jung ist die auch nicht mehr, manche haben es raus, aus ihrer Unscheinbarkeit Kapital zu schlagen. Sie machte kehrt und ging weiter, sehr gerade und mit leicht schwingenden Hüften, die dieses Wesen nicht hatte, nicht mal im Ansatz, ihr
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