Hexensabbat
öfteren, und es war schon seltsam, daß Anna ihm ausgerechnet nun, wo sie mit ihm überkreuz war, beipflichten konnte. Ihre Mutter reagierte manchmal wirklich sehr ausgefallen.
»Marie kommt etwas später. Wir können trotzdem schon anfangen.« Lisbeth griff nach der Kuchenzange, die Finger hätten genügt, dachte Anna, es gab nur den üblichen Streuselkuchen. Immer abwechselnd, einmal Streusel und dann wieder Blitzkuchen, trocken und haltbar. Anna machte sich nicht viel aus Kuchen und aus trockenem sowieso nicht, aber Marie aß ihn gern. »Mutter, denk an meine Hüften!«, stöhnte sie gelegentlich und nahm dann doch ein zweites oder sogar drittes Stück.
»Soso.« Anna zerbröselte einen Streuselplacken auf ihrem Teller. Gedankenlos, es hätte sonstwas auf ihrem Teller liegen können, und warum Marie später kam, war ihr auch egal.
»Sie hat ein Interview. Der Mann ist eine Koryphäe. Ein Leon, also irgend etwas mit Leon und Baum …« Annas Mutter hatte absolut kein Namengedächtnis.
»Toll«, sagte Anna und stopfte sich ein Stück Kuchen in den Mund.
»Und wie ist es bei dir!« Lisbeth hielt ihr eine Serviette hin, Anna hatte die Kuchengabel nicht benutzt, und etwas von dem Hefeteig und dem Streusel klebte an ihren Fingern.
»Danke.« Anna wischte über die Hand und knüllte die Serviette zusammen.
»Also?«
»Was soll schon bei mir sein? Das Übliche eben.«
»Ich meine beruflich. Gestern war doch der Erste. Wie war es am Gericht?«
»Es hat sich verschoben.«
»Verschoben?«
»Zirka um ein halbes Jahr. Mir ist es ganz recht so. Ich war ziemlich im Streß. Vielleicht mache ich einfach mal Urlaub. Ich war ziemlich lange nicht mehr weg. Madeira oder so. Prospekte habe ich auch schon, du glaubst nicht, wie sich das dort verändert hat.«
»Soso.« Annas Mutter wischte ein paar Krümel von der Decke auf Annas Teller. »Du bist wohl fertig?« Dann stand sie auf und nahm den Teller mit hinaus. Es hatte geklingelt, und sie war sehr praktisch veranlagt, sie vermied überflüssige Wege und nahm alles mit, was nicht mehr gebraucht wurde.
»Hallo! Der Typ ist super.« Marie wirkte erhitzt. Schon wieder einer, dachte Anna. Sie hat es mit ihren tollen Typen, kein Wunder, daß das Till gelegentlich auf den Geist geht.
»Dieser Leon …?« fragte Lisbeth.
»Exakt. Wahnsinnig interessant, nicht mehr ganz jung, aber er hat’s in den Augen, mamamia …«
»Ich dachte, es ginge um ein Interview?« fragte Anna.
»Auch, Schwesterchen, auch …« Marie wirbelte einmal rund und griff sich ein Stück Streusel, biß hinein, Lisbeth sagte nichts und hielt ihr auch keine Serviette hin. Die große, tolle Marie, dachte Anna.
»Gefällt er dir?« fragte Lisbeth. »Erzähl!«
Hast du doch gerade gehört, dachte Anna, ein toller Typ. Und es war schon ein Witz, daß ausgerechnet Lisbeth funkelnde Augen bekam. Bei ihrer ältesten Tochter legte sie die Moral auf Eis, manchmal konnte sie regelrecht frivol werden. Scheiß drauf, dachte Anna.
Marie war schon beim zweiten Stück Streusel angelangt, diesmal mit Teller. Sie hatte den tollen Typen abgehandelt und ein paar Worte über Kunst eingeflochten, das machte sich gut und imponierte Lisbeth, man sah es ihr an. Auch daß Marie zwischendurch ins Französische abgeglitten war, machte sich gut. Sie sprach ein vorzügliches Französisch, und dieser Leon war offensichtlich Franzose, mit denen schien sie es zu haben, es war die reine Effekthascherei.
»Und wie steht’s bei dir, Schwesterchen?« fragte sie ohne Übergang, es klang, als wäre ihr tolles Abenteuer soeben in ein Loch gekippt, was sollte Anna schon groß erleben?
»Gut«, antwortete Anna, Halbmast dachte sie und war froh, daß Marie keine Röntgenaugen hatte.
»Ihre Anstellung am Gericht hat sich verschoben«, sagte Lisbeth und sah ihre Älteste an.
»Verschoben?« fragte Marie.
»Verschoben«, bestätigte Anna.
»Einfach so?« Marie hörte auf zu kauen. Ist auch besser so, dachte Anna, sie wird zu fett. »Da wird Till aber happy sein …«, fuhr Marie fort.
Anna zuckte die Schultern. Sie würde den Teufel tun und über Tills Gefühle reden.
»Anna redet nicht mehr über Till«, warf Lisbeth ein. »Schon eine ganze Weile nicht. Als hätte sie seinen Namen vergessen.« Sie stellte die Kaffeekanne wieder auf den Tisch, obwohl sie die gerade genommen hatte, um frischen Kaffee aufzubrühen.
»Ach so?« Marie stopfte ihre Serviette unbenutzt unter die Kuchengabel. »Vielleicht liegt’s daran, daß Klein-Till
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