Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegrit Arens
Vom Netzwerk:
Mantel mit dem Fischgrätmuster säuberlich gefaltet über den freien Unterarm. Er war Vertriebsleiter. Er war ein Chef. Er kleidete sich konservativ und seinem Status angemessen. »Denk an die Gestecke«, sagte er im Hinausgehen. Die Korridortür fiel ins Schloß.
     
    Später, als Anna die Wohnung in Ordnung brachte und staubsaugte, machte sie mit dem Klopfsauger einen Bogen um die Krümel unter Tills Stuhl. Die Krümel lagen auf dem Teppich, den Till geerbt hatte. »Echte Teppiche halten am meisten aus«, hatte er erklärt und den Teppich unter dem schweren Tisch mit der Granitplatte und den sechs schwarzen Lederstühlen auf Chrombeinen plaziert. Der Teppich paßte nicht zu der modernen Einrichtung, auch wenn Till darauf bestand, daß das sehr bunte Orientmuster sich mit den kühlen Farben und Formen der neuen Möbel vertrüge. Anna fand nicht, daß Altes und Neues immer gut zusammenpaßte. Sie war froh, daß der Tisch und die Stühle einen großen Teil des Teppichs abdeckten.
    Sie saugte gründlich, nur die Krümel an Tills Platz ließ sie liegen. Die Vorstellung, wie diese sich dort im Lauf der Tage und Wochen und Monate eintreten und einfressen, seinen Stammplatz zu einem schmuddeligen Flecken machen würden, gefiel ihr.

Geburtstag im »Alten Wartesaal«
     
    Anna blieb stehen. Sie tat das immer, wenn sie auf die Domplatte kam. »Meins!« Sie sagte es nicht laut, und sie dachte es auch nicht als Wort; dieses »Meins!« wallte einfach breit und voll in ihr hoch, wenn sie auf ihre Stadt sah.
    Dort hinten lag die Philharmonie. Die Besucher strömten darauf zu, gleich begann ein Konzert. Typisch, dachte Anna, typisch Köln. Jetzt strömen sie in das neue Konzerthaus, aber zuerst haben sie es nicht haben wollen, es war ihnen zu modern und zu klotzig zwischen ihrem Dom und ihrem Rhein. Jetzt ist es ihre Philharmonie. Anna grinste, zwischen langen Abendröcken und eindrucksvollen Skulpturen flitzten Skateboards hin und her. Die Jugendlichen hatten die neue Kulturmeile zur Rennstrecke umfunktioniert.
    »Es ist eine Schande«, schimpfte Till, als ein Junge mit schräg aufgesetzter Schirmkappe sich dicht vor ihm in der Luft drehte. Das Rollbrett schoß auf Till zu. »Verdammt!« brüllte er und hüpfte zur Seite, der Junge sprang auf sein Brett und sauste davon.
    Anna kicherte. Der Hüpfer von Till hatte urkomisch ausgesehen. Er in seinem schnieken Mantel, zweireihig geknöpft, und dann hüpften plötzlich seine blankgeputzten Herrenschuhe in die Luft.
    »Komm endlich«, drängte Till. Ihm war nicht nach Lachen.
    »Hab dich nicht so«, antwortete Anna. Schade, daß ihm das Rollbrett nicht gegen seine Bügelfalten geknallt ist. Sie schloß die Augen, sah ihn umkippen, auf das Brett stürzen und davonsausen, ein schnieker Zweireiher ab in den Rhein.
    »Anna! Es reicht!« Till faßte sie unsanft am Ellbogen.
    Anna öffnete die Augen. Es war wie immer. Sie trat auf die Rolltreppe, die hinunter zum Bahnhofsvorplatz führte.
    Der Bahnhof war alt und Anna von Kind auf vertraut. Sie war früher oft Eisenbahn gefahren, sie mochte den düsteren Bau mit der hohen Kuppel, den schlauchartigen Gängen und den gemauerten Schächten, die hinauf zu den Bahngleisen und von dort in eine Landschaft aus Hinterhöfen führten. Wenn Anna als Kind mit ihren Eltern von einer Reise heimgekommen war, hatte sie immer auf diese grauen Hausrücken gewartet. »Gleich sind wir da«, hatte sie gerufen, sobald die sichtbar wurden; das war fast so schön gewesen wie der Blick auf den Dom und die Altstadt.
     
    »Noch keiner da. Gott sei Dank!« Till überflog den Saal mit einem Blick.
    »Klar«, sagte Anna. Die Normaluhr draußen vor dem »Alten Wartesaal« hatte zehn vor acht gezeigt. Till hatte für acht Uhr eingeladen.
    Ein Kellner eilte auf sie zu. »Darf ich?« fragte er und wollte Anna aus dem Mantel helfen.
    »Ich mache das selbst«, winkte Till ab und griff nach dem breiten Fuchskragen. Das Fell war grau eingefärbt, passend zum Mantel. Till hatte ein Faible für diese Farbe, er hatte Anna den Mantel geschenkt. »Du siehst gut aus. Sehr gut«, sagte er nun.
    »Danke.« Anna trug ein dezent gestreiftes Kostüm, das Rot zog feine Striche in den anthrazitgrauen Wollstoff, der Schnitt war eher klassisch, aber unter dem langgezogenen Revers blitzte ihre nackte Haut, und der Rockschlitz öffnete sich über ihren schlanken Knien. Es war die Art von Eleganz, die Till mochte. Sie hatte zuerst ihre kurzen Samthosen angehabt, sie aber in letzter Minute

Weitere Kostenlose Bücher