Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegrit Arens
Vom Netzwerk:
schwierig, den Dreck auseinanderzuklauben, deiner und meiner. Annas Haarnadel hatte jedenfalls tags darauf in der Küche auf ihrem Tablett gelegen. Anna strich die drei Hunderter glatt, sie hatte sie mit dem Briefbogen zusammengeknüllt.
    Sie sollte die Scheine zerreißen, »steck dir dein Scheißgeld sonstwohin!«, in Gedanken spielte sie es durch, aber zuletzt nahm sie das Geld doch, weil sie total blank war. Es war ein beschämendes Gefühl, wegen dreihundert Mark umzukippen, aber es wäre noch schlimmer gewesen, ihre Schwester oder ihre Mutter anzupumpen, das brachte sie einfach nicht fertig. Sie hatte es leid, die kleine, dumme Anna zu sein. Aber irgendwie war sie es nun doch. Sie fühlte sich klein und schäbig.
     
    »Sie bekommen noch Geld«, rief der Bäcker ihr zu, als sie an der Backstube neben dem Laden vorbeihuschen wollte. Sie hatte sich überlegt, ob sie hineingehen sollte, »wenn Sie mich diese Woche noch brauchen …« Aber Till hatte schließlich bereits alles geregelt, sie hatte sein sauber abgeheftetes Telefax gelesen, und sie hatte sein Geld genommen. In Zukunft würde sie ihr Brot eben woanders kaufen.
    »Ach ja«, antwortete sie und blieb stehen. Es gab immer Leute, die neugierig waren, und hier in der Straße kannte jeder jeden. Sie tat einen Schritt auf den Mann zu.
    »Zwei Tage à vier Stunden, macht hundertvier Mark«, dröhnte er. Vielleicht kam es ihr auch nur so vor, als ob seine Stimme dröhnte.
    »Ja, ja«, sagte sie hastig. Er schien nicht zu bemerken, wie peinlich die Situation ihr war. »Anne«, rief er, er hatte das Blech mit den frischgebackenen Brötchen in der einen Hand und hielt mit der anderen auffordernd die Tür seines Geschäfts auf. »Gib Frau Liebold mal die hundertvier Mark.« Anne war seine Frau, sie stand hinter der Kasse und nickte.
    »Ich brauche sowieso noch zwei Kornbeißer und ein Roggenbrot und ein Oberländer«, sagte Anna. Es waren noch vier weitere Kunden da, zwei aus ihrer Straße, sie hatten ihr zugenickt, und sie hatte zurückgenickt. Es hatte ihr nichts ausgemacht, gestern und vorgestern in einem weißen Kittel hinter der Theke zu stehen und diese Leute zu bedienen. Sie hatte sich stark gefühlt bei dem Gedanken an Tills Reaktion. Aber jetzt war das Triumphgefühl weg, am liebsten hätte sie sich unsichtbar gemacht.
    Erst als sie zu Hause das Oberländer auspackte, wurde ihr bewußt, daß sie Tills Lieblingsbrot mitgekauft hatte. Sie haßte sein tätschiges Graubrot, sie würde es nicht runterkriegen, eher würde sie verhungern. Einen Augenblick lang drehte sie das Kilo Brot hilflos in der Hand. Paniermehl, dachte sie, dafür ist es gut, und sie kramte den feinen Raffeleinsatz für die Küchenmaschine aus dem Unterschrank, schnitt das Brot in Stücke und stopfte es in den Einfüllschlitz, drehte den Schalter voll durch, Brummen und Knattern und schließlich ein jaulendes Geräusch, es fing an zu stinken, es stank brenzlig. Sie schaltete das Gerät aus und hob den Stutzen ab, mit dem sie das Brot in den Schlitz gequetscht hatte. Die weichen Krumen hatten alles verklebt. Wer war auch schon so blöd, frisches Brot durchdrehen zu wollen, es war eine Riesenschweinerei, und wahrscheinlich war die teure Maschine jetzt im Arsch. Anna hatte sie sowieso nie haben wollen. »Ich komme prima mit meinem Dreimix klar«, hatte sie zu Till gesagt, aber der hatte auf diesem Luxusding bestanden, »damit kannst du sogar selbst Butter machen«, er hatte ihr aufgezählt, wieviel Zusatzteile mitgeliefert wurden. Wer wollte schon selbst Butter machen, es war der absolute Schwachsinn, aber natürlich hatte Till seine »Kenwood Chef« gekauft, »meine Frau hat die beste Küchenmaschine, die auf dem Markt ist.« Jetzt war sie im Arsch, seine tolle Maschine, es geschah ihm nur recht.
    Anna hatte das Plastikgehäuse, die Raffelscheibe, die glatte Metallscheibe und die Schraube schon abgenommen und Wasser einlaufen lassen, um den Kletsch einzuweichen und abzupiddeln. Wieso eigentlich, fuhr es ihr durch den Kopf, und sie faßte in die Lauge mit den obenauf schwimmenden Teigklumpen und zog den Stopfen, das Wasser gurgelte langsam ab, zuletzt blieben eine bräunliche Matsche und die klebrigen Zubehörteile der Küchenmaschine im Becken liegen.
    Sie ließ sie liegen. Till würde an die Decke gehen, sollte er. Und überhaupt war Mittwoch, sie mußte sich beeilen, sonst würde sie heute zu spät zum Kaffeeklatsch bei ihrer Mutter erscheinen.
     
    »Was machst du Karneval?«
    »Karneval?«

Weitere Kostenlose Bücher