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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegrit Arens
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Haar löste sich eine feuchte Strähne und fiel ihr vor die Augen, sie pustete sie weg, es sah lustig aus. »Du bist fünfunddreißig und warst noch nie besoffen.«
    »Nie«, bestätigte Anna. »Stell dir Till vor …«
    Marie prustete los. Sie stellten sich beide vor, wie Till auf eine besoffene Ehefrau reagieren würde, er, der Spießer. Saufen war Männersache, angeschickerte Frauen waren hemmungslos und unattraktiv und die Pest. Zuletzt japsten die beiden Frauen nur noch und wischten sich die Lachtränen fort.
    »Darauf trinken wir«, sagte Marie. »Patron, s’il vous plait.« Der Patron hatte abwartend an einem kleinen Tisch neben dem Eingang zur Küche gesessen. Ab und zu sprach er mit einer Person, die man nicht sehen konnte, es waren nur ihre Stimme und die typischen Geräu sche zu hören, die entstehen, wenn mit Pfannen und Töpfen und Schneebesen hantiert wird. Es gab nur sechs Tische in dem schmalen Raum mit der niedrigen Decke, Anna und Marie waren die einzigen Gäste. Nun stand der Patron auf und kam zu ihnen. Es gab keine Karte, er zählte auf, was er zu bieten hatte. Anna verstand ihn nicht, er verschluckte Silben und verband seine Worte zu einer Melodie, die in Annas Schulfranzösisch nicht vorgekommen war. Marie dagegen nickte und antwortete, es ging hin und her zwischen den beiden, und Anna begann zu begreifen, warum ihre Schwester so für alles Französische schwärmte. Es waren wohl doch nicht nur die Männer, auf die Marie abfuhr. Sie schien sich vielmehr in dieser fremden Sprache und Atmosphäre aufzuschließen, als ob dies ihre eigentliche Heimat wäre, plötzlich war ihr Gesicht frei und gelöst und voll Leben. In Anna wuchs eine Mischung aus Neid und Sympathie, sie überlegte, woran sie selbst ähnlich stark hing, aber ihr fiel nichts ein.
    »Möchtest du …?«
    »Bestell du«, fiel Anna ihrer Schwester ins Wort, »ich kann das nicht«.
    Als sie wieder allein waren, fügte sie hinzu: »Ich glaube, ich belege einen Französischkurs in der Volkshochschule. Ich bin mir vorgekommen wie ein Trampel.«
    »Blödsinn! Das bildest du dir ein. Warum lernst du nicht Italienisch, du hast immer für Italien geschwärmt.«
    »Ja. Und ich war nicht mal so schlecht.«
    Mit den Eltern waren die beiden Mädchen früher ein paar Jahre hintereinander an den Lago di Maggiore gefahren, und während Marie mit der Mutter am Strand lag, waren Anna und ihr Vater losgezogen. »Was heißt das?« Anna hatte keine Ruhe gegeben, und irgendwann hatte ihr Vater ein Wörterbuch für sie gekauft. »Sieh selbst nach.« Es hatte ihr Spaß gemacht, zuletzt hatte sie sogar die Tageszeitung lesen können und verstanden, was die Männer redeten, wenn sie ihren Espresso tranken, stundenlang, ihr Vater hatte oft genug vergessen, daß sie dabei war, aber sie hatte sich nie gelangweilt. Sie hatte die heftig ihre Münder und Köpfe und Hände bewegenden Männer wie ein Theaterstück in sich aufgesaugt, es war viel interessanter gewesen, als stundenlang in der Sonne zu dösen. In der Sonne konnte sie nicht einmal lesen oder träumen, die Hitze machte sie schwer und dumpf. Es war eine schöne Zeit gewesen, als sie mit ihrem Vater, der das Land liebte, umherzog, obwohl sie eigentlich nie etwas anderes zu sehen bekommen hatte als Bocciakugeln, ihr Vater hatte leidenschaftlich gern Boccia gespielt, und diese dunklen Bars, in denen häufig nicht einmal Stühle und Tische standen. Die Männer gruppierten sich um Stehtische, und dicke Schwaden Tabakqualm mischten sich in das herbe Aroma frisch gerösteter Kaffeebohnen. Damals hatte Anna das Rauchen um sie herum nichts ausgemacht. Es hatte dazugehört.
    »Ja«, sagte sie nun und sah Marie an. »Du hast recht, ich sollte vielleicht wieder mit Italienisch anfangen. Diesmal richtig. Und dann fahre ich endlich wieder hin, bestimmt hat sich eine Menge verändert, ich bin nie mehr dagewesen, seit ich mit Till zusammen bin.«
    »Und du glaubst, daß Till da mitspielt?«
    »Nein«, sagte Anna.
    »Und du willst trotzdem ernsthaft mit Italienisch anfangen und nach Italien reisen?«
    »Ja«, sagte Anna. »Das werde ich tun. Genau das.«
    »Darauf trinken wir auch.« Marie hob ihr Glas, der Patron hatte ihnen eine Flasche Château Maucaillou gebracht und stolz auf das Etikett gezeigt. Marie hatte genickt und dabei die Unterlippe vorgestülpt, »ein 1983er«, hatte sie gesagt, »ein guter Tropfen«. Und einen Moment lang hatte Anna wieder das Gefühl gehabt, die kleine dumme Schwester zu sein, doch das

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