Hexensabbat
würde mit den zwölfhundert extra.
Hexensabbat
»Na?« Marie riß das Fenster auf, die kühle Luft strömte in das Hotelzimmer, das nicht sehr groß und nicht besonders komfortabel war.
Anna war an Komfort gewöhnt. Till bevorzugte den einheitlich hohen Standard bestimmter Hotelketten, dieses Haus hier hätte ihm nicht gefallen, auf den ersten Blick wirkte es sogar ein bißchen schmuddelig. Als Anna eben aufs Klo gegangen war, hatte sie automatisch mit dem Finger über die Oberkante der Duschkabine gestrichen. Till tat das immer, »an den Stellen schlampen sie gern«, es war sein Gradmesser für eine gepflegte Unterkunft. An Annas Finger waren Staubklümpchen hängengeblieben, hier hatte garantiert längere Zeit keiner saubergemacht. Sie hatte rasch die Hand unter den Wasserstrahl gehalten, »ich bin bescheuert«, aber als sie in den Schlafraum zurückgegangen war, hatte sie sich Hausschuhe über ihre nackten Füße gezogen, ein Glück, daß sie die eingepackt hatte; bei diesen melierten Teppichböden konnte man nie wissen, die versteckten den Dreck von Generationen.
Marie tat gerade so, als hätte sie Brügge neu erfunden, fand Anna, als sie ihre Schwester dort an dem geöffneten Fenster stehen und hinauszeigen sah. Anna war sich nicht mehr sicher, ob es wirklich eine solch grandiose Idee gewesen war, im Februar hierherzufahren, noch dazu mit Marie. Die hatte chauffiert und geraucht, knapp vier Stunden hatten sie von Köln bis nach Brügge gebraucht. Geredet hatte Marie nicht viel, dafür lief pausenlos ihre »Carmen Fantasie«, an einigen Stellen hatte sie »jetzt!« gesagt und die beiden Finger mit der dazwischen geklemmten Zigarette wie einen Taktstock geschwungen, es mußte sich um besonders gute Stellen handeln, Anna war keine Expertin für Violinkonzerte. Die Windschutzscheibe des knallroten Honda Civic hatte sich in eine graue Wand aus Nieselregen gebohrt, außer ein paar Türmen und den Grachten, über denen die graue Regenwand sich noch dichter zusammenbraute, hatte sie nichts von Maries Traumstadt gesehen.
»Ja, ja«, sagte sie lustlos. Ihr war kalt. Marie sollte endlich das Fenster zumachen.
»Nun komm schon«, sagte die.
Anna gab nach. Der Blick aus dem Fenster war wie ein Sprung ins Mittelalter, der gestufte Hausgiebel gegenüber, das dämmrige Licht aus den engbrüstigen Fenstern, und die Hauswand aus unregelmäßig zusammengefügten Backsteinen, die aus dem gewellten Pflaster der engen Gasse stieg. »Laß uns rausgehen«, sagte Anna, und Marie lachte leise. »Mir ist es beim ersten Mal genauso ergangen.«
»Ich muß aussehen wie eine ausgewrungene Katze.« Anna fuhr sich mit beiden Händen in ihre Haare. Sie waren fast drei Stunden über Brücken und Brückchen, durch stille Gassen und fast immer am Wasser entlanggelaufen, ohne Schirm. Der Nieselregen hatte sich in ihren Haaren und Kleidern festgesetzt, sie merkte es erst jetzt in diesem Lokal.
»Du siehst rosig aus«, antwortete Marie. »Sehr hübsch. So solltest du immer aussehen, es steht dir.«
»Na ja«, sagte Anna und fuhr sich über die brennende Haut, hier in dem warmen Raum begann sie zu glühen. Seltsamerweise hatte sie trotz der Nässe, die an ihr haftete, nicht das Gefühl, aufs Klo düsen und sich herrichten zu müssen; gewöhnlich tat sie das. Wenn sie mit Till von draußen in ein Restaurant kam, rannte sie als erstes los, um sich zu kämmen und den Lippenstift nachzuziehen und das Gesicht abzupudern. Sie sah zu Marie hinüber, die lächelte sie an, diesmal ohne den Kniff im Mundwinkel, der allem, was sie sagte, eine gewisse Schärfe verlieh. Sehr gelöst, die schwarze Farbe um Maries Augen war verwischt und nur noch ein dunkler Schatten, auch der tiefrote Lippenstift, den sie immer benutzte, war verblaßt. Sie sah auch hübsch und irgendwie weiblicher aus, fand Anna. »Du auch«, sagte sie, »du siehst auch hübsch aus.«
»Wir kippen uns tüchtig einen auf die Nase, wir beiden Hübschen, was hältst du davon?« Marie zog ihr Lederblouson aus, der dünne T-Shirtstoff klebte zwischen ihren Brüsten, sie hatte sehr volle Brüste, und die Brustwarzen malten sich ab; die linke Brust war etwas praller. Wie bei mir, dachte Anna, komisch, daß mir das noch nie aufgefallen ist. Wir haben beide kein Kind gesäugt, aber trotzdem Mordstitten und links besonders. Sie kicherte und nickte: »Ja, ich möchte mal richtig einen sitzen haben. Das hatte ich noch nie.«
»Verrückt!« Marie schüttelte den Kopf, aus dem hochgesteckten
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