Hexensabbat
veranlagter Mann, und es gab genug Hausfrauen, die sich etwas dazuverdienen wollten. Es war ihm egal, ob Anna außerdem Anwältin oder die Frau von einem Spitzenverdiener war, sie sollte seine Brötchen und Brote und Torten und Teilchen verkaufen, basta!
Die Kundin hielt sich die Hand vor den Mund, wie jemand, der sich schämte oder husten mußte. »Das ist aber lustig«, sagte sie und kicherte.
»Was darf es sein, Frau Koller?« Die Kundin war Ramona Koller, und es war Anna klargewesen, daß sie sich so gegenüberstehen würden, normalerweise standen sie morgens nebeneinander dort vor der Theke. Till würde rasch genug erfahren, was seine Frau trieb.
»Fünf normale Brötchen und ein Weckchen, bitte.« Die Frau hatte noch immer die Hand vor dem Mund, es sah albern aus.
»Fünf Stück?« Die frißt sie wohl kaum alleine mit ihrem Sohn, dachte Anna, und dazu noch das Weckchen. Till frühstückte nicht mehr zu Hause, der Kühlschrank war wie kahlgefegt, weder Wurst noch Butter, nichts, Anna hatte tagelang von Müslibeständen und Obstkonserven gelebt, nicht mal mehr Milch war im Haus.
»Wo ist mein Geflügelsalat?« Till hatte sich Geflügelsalat und Toast und Salzbutter mitgebracht, und zum Nachtisch Brüsseler Trauben und ein Stück Käse. Das war vorige Woche gewesen, kurz nach dem Eklat mit dem Bankkonto. Anna hatte morgens und mittags Müsli gegessen, sie konnte kein Müsli mehr sehen. Natürlich hatte sie zugelangt, es waren nur ein paar Scheiben Toast und Butter übriggeblieben. Sie hatte gerade den letzten Bissen intus, als er aus dem Bad kam, vermutlich hatte er sich schon für den Abend präpariert. Gewöhnlich kam er heim, sah die Nachrichten, machte sich frisch und aß einen Happen, dann verschwand er bis spät in die Nacht, Anna bemühte sich, nicht mehr auf ihren Wecker zu schauen, wenn sie ihn heimkommen hörte.
Anna hatte die Schultern gezuckt.
»Und meine Trauben?« Till hatte die Käseglocke hochgehoben, »und mein Brie?«
»Weg«, hatte Anna gesagt und war hinausgegangen.
Das war’s gewesen. Er hatte die Vorräte nicht aufgefüllt und sich nichts mehr zu essen mitgebracht, außer er versteckte es unter der Matratze; Anna hatte sogar seinen Schreibtisch und seinen Aktenkoffer gefilzt. Er besorgte nicht einmal mehr frischen Kaffee, Anna mußte Tee trinken. Till verlagerte seine Mahlzeiten außer Haus, kommentarlos, und da war Anna schließlich auf die Idee mit der Aushilfe in der Bäckerei gekommen. Es konnte ihm nicht recht sein. Sie kannte ihn gut genug.
»Fünf Brötchen«, bestätigte Ramona, die vor der Theke stand und es Till brühwarm erzählen würde: »Du, deine Frau verkauft jetzt an der Ecke Brötchen.«
Anna grinste bei dem Gedanken an Tills Gesicht, dabei griff sie in den großen Bastkorb. »Fünf Brötchen«, wiederholte sie. »Vielleicht noch ein Mehrkornbrot. Mein Mann liebt diese Sorte.«
»Dann packen Sie es mir ein«, sagte die andere, kam sich wer weiß wie toll vor: Brot für den Geliebten bei dessen Ehefrau kaufen, was für ein irres Gefühl. Aber sie würde sich wundern, Till würde ihr das Körnerbrot um die Ohren hauen, er liebte sein Oberländer, je heller und tätschiger desto besser. Anna lächelte und wickelte das Brot in Papier ein. »Bitte sehr.«
Das Geschöpf wackelte hinaus, mit Brötchen und Weckchen und Brot, die langen Haare wippten auf ihrem Rücken, sonst hatte sie die Haare morgens hochgebunden, heute war sie schon in voller Kriegsbemalung und mit wallender Mähne, Tribut an den Helden. Held? Besser ein halber Mann als keiner, mit ihrem Horrorkind war die schwer zu vermitteln auf dem Partnermarkt, so wie Anna selbst auf dem Arbeitsmarkt. Die da war zwar ein paar Jahre jünger, das war’s aber auch schon, sie konnte ihn haben, mit Handkuß und mit Schleifchen.
»Fräulein, ist Ihnen nicht gut?«
»Wieso?« Anna schreckte hoch.
Der Kunde vor ihr sah sie besorgt an. »Ich habe schon viermal ‹zwei normale und zwei Kornbeißer› gesagt. Sie sind schrecklich blaß.«
»Verzeihung«, sagte Anna. Das würde Till ihr auch büßen. Das und alles. »Zwei normale und zwei Kornbeißer, macht zweisechzig«, sagte sie laut.
»Was soll das Affentheater?« Es war nicht Tills Zeit. Es war abends, kurz nach neun. Er war erst vor einer Stunde aus dem Haus gegangen. Offensichtlich hatte seine Geliebte sich die Neuigkeit »deine Frau verkauft Brötchen« für den Abend aufgespart. Anna konnte sich denken, warum. Morgens war Till vergnazt und mit seiner
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