Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegrit Arens
Vom Netzwerk:
weich an, und es war überhaupt keiner von diesen besäuselten Karnevalsküssen, es war einfach nur schön.
    Danach legte er den Arm um sie, sonst nichts, und sie saßen da beide in dem Lärm und in den Rauchschwaden und tranken Limonade, ab und zu küßten sie sich. Dann mußte Anna sich zurücklehnen, und er schob sein Gesicht auf sie zu, es war einfach zu eng, um sich nebeneinander sitzend zu küssen. Mit der Zeit entstand so etwas wie ein Küßrhythmus, und nach jedem Kuß lächelte er sie leicht verlegen, aber auch ein bißchen schelmisch an.
    Als der Nubbel draußen im Hof verbrannt wurde, nahm er sie fest in den Arm. In dem Hof war es dunkel, und die kalte Luft stach in die Haut, jedesmal, wenn er ihren Mund freigab, gefror die Feuchtigkeit auf ihren Lippen. Irgendwann erreichte sie der Lichtschimmer der brennenden Strohpuppe, des Nubbel. Die närrische Zeit war vorbei, und die Fastenzeit begann. Aber Anna hatte nichts mit dem Karneval zu tun gehabt, sie war ins Mittelalter geflohen, und dieser alte Brauch, den Nubbel zu verbrennen, paßte dazu. Ihr war abenteuerlich zumute und ein bißchen traurig, sie wußte nicht einmal, wie er hieß.
    »Wie heißt du überhaupt?« fragte sie.
    »David«, sagte er.
    »Der kleine David?« Sie hatte das Bild aus der Bibel stunde vor Augen. Der kleine David tritt mit seiner Steinschleuder gegen den Riesen Goliath an und besiegt ihn. Sie hatte den Unterricht bei dem alten Pastor geliebt, er hatte Geschichten erzählt, die ihren Märchen ähnelten.
    »Ja«, sagte er. »Sehr klein. Und es gibt einen noch kleineren David, das ist mein Sohn, er ist drei Jahre alt.«
    »Drei Jahre«, wiederholte Anna, obwohl das keine Bedeutung hatte. Er trug keinen Ehering, sie hatte drinnen in der Kneipe seine Hände betrachtet, sehr schlanke und sympathische Hände ohne Ring. Es gab ihr einen Stich, obwohl auch das unsinnig war, schließlich war sie selbst verheiratet, und es war nur Karneval, wer nahm schon den Karneval ernst?
    »Es ist ein niedlicher Bursche.«
    »Und deine Frau?«
    »Sie ist schwer in Ordnung und paßt auf uns auf.«
    »Ist das notwendig?«
    »Eigentlich nicht. Eigentlich bin ich brav. Aber heute …«
    »Heute …?«
    »Heute fällt es mir verdammt schwer, brav zu sein.«
    »Das Feuer geht aus«, flüsterte Anna. Sie konnte sein Gesicht jetzt kaum mehr erkennen. Er ihres auch nicht, das war gut so.
    »Ja. Aber nächstes Jahr wird wieder der Nubbel verbrannt. Kommst du dann auch?«
    »Vielleicht.«
    »Denk dran, nächstes Jahr hier, ich komme bestimmt.«
    »Du spinnst.«
    »Vielleicht«, sagte er. »Aber manchmal tut es gut zu spinnen, ich werde von dir spinnen, von der schönen Kölnerin.«
    Anna blieb stumm, aber sie reckte sich, um ihm einen letzten Kuß zu geben. Er war ein ziemlich großer »kleiner David«.
     
    Als Anna nach Hause kam, es war schon nach eins, da waren Tills Schuhe aus der Diele verschwunden. Er war doch noch weggegangen, vielleicht auch in irgendeine Kneipe, wo sie um Mitternacht den Nubbel verbrannt hatten. Bestimmt war er nicht allein gegangen. Es machte Anna Mühe, sich vorzustellen, wie es wäre, einem wie ihm zu begegnen, zusammenzusitzen und ihn zu mögen, ihn anzufassen und zu küssen, einfach so, und hinterher diese leise Traurigkeit zu spüren. Natürlich hatte sie Till geliebt, heftig und stürmisch, aber es gab einfach kein Bild mehr davon in ihr. Sie hätte gerne einen Mann wie diesen Fremden gehabt, einen, der sagte »meine Frau ist schwer in Ordnung«, selbst in solch einer Situation. Till tat das nicht, er machte Anna madig, bei diesen Frauen und sogar bei der Putze. Er war ein Fiesling, deshalb …
    Nachts träumte Anna von sehr weichen Lippen auf ihrem Mund und von den Flammen, die an der Strohpuppe hochzüngelten und sie verbrannten, zuletzt zuckte der grob zusammengebundene Körper noch einmal hoch, es war Till, im Traum war es Till, der vor ihren Augen immer weniger wurde und zuletzt nur noch ein schwarzgekokelter Stiel war. Aber sie kümmerte sich nicht darum, sie spürte ja noch immer diese weichen Lippen, die dem Fremden gehörten. Als sie aufwachte, war sie traurig, aber es war nicht wegen Till. Es war wegen dem Fremden. Sie war schon lange nicht mehr so zart und innig von einem Mann geküßt worden.

Ein Blick in fremde Töpfe
     
    Die Fastenzeit hatte wirklich begonnen. Morgens war der Himmel bedeckt, nicht einmal die Wolken hatten Kontur, es waren schwammige Gebilde in endlosem Grau. Anna schloß rasch das Fenster, sie

Weitere Kostenlose Bücher