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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegrit Arens
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der Lippenstift und ein Tampon, »deine Tasche ist ein Saustall«, wie oft hatte sie das von Till gehört –, da wußte sie, daß er da war. Noch ehe sie seine Schuhe und den Mantel und den Aktenkoffer sah, sie spürte es einfach. Als sie ihren Blazer in der Garderobe aufhängte, streifte sie der Ärmel seines Mantels, sie strich ihn gerade. Der Geruch von Tills Rasierwasser stieg ihr in die Nase. So ähnlich mußte es sein, wenn man etwas weggegeben hatte und es wiedertraf, ein paar Sekunden lang Besitzergefühle und dann dieses »ach ja!«, weil es ja nicht mehr stimmte. Till war einmal einem verkauften Auto, das er sehr geliebt hatte, nachgefahren, nur um zu sehen, ob der neue Besitzer es auch gut behandelte. Damals hatte Anna sich ausgeschüttet vor Lachen. Heute würde sie nicht mehr darüber lachen.
    Sie hörte ihn im Bad rumoren, bestimmt ging er gleich wieder. Sie mußte aufs Klo, also ging sie nach oben, an ihrer Zimmertür hing etwas. Sie schaltete das Licht im Flur ein, es war eine gedruckte Einladung der »Star-Ring«. Nichts Neues, jedes Jahr im Februar fand dieses Riesenspektakel statt. In Tills Firma geierten sie nach diesem Wisch, es war sozusagen der Gradmesser für die eigene Wichtigkeit. Till wurde schon seit vielen Jahren geladen, auch schon, als er noch nicht Verkaufsleiter war. Damals hatte er ihr aufgezählt, wen er alles überrundet hatte, »der Pitsch ist in der gleichen Gehaltsgruppe und schon sechs Jahre länger dabei«. Diesmal hatte Till ihr die Karte mit Tesafilm an die Schlafzimmertür gepappt. Schräg untendrunter hatte er »mit Gattin« geschrieben, er hatte es doppelt unterstrichen.
    Sie nahm die Einladung und ging damit nach unten, sie hatte glatt vergessen, daß sie aufs Klo wollte.
    »Was soll das?« fragte sie und schwenkte das Büttenpapier vor seinen Augen.
    »Ist doch wohl klar«, antwortete er, »oder kannst du neuerdings auch nicht mehr lesen?«
    »Es ist deine Firma.«
    »In der ich mein Geld verdiene, an das du ran willst.«
    »A propos Geld …« Anna streckte die Hand aus, bewegte sie auffordernd auf und ab. Er wollte etwas von ihr und hatte nicht mal für diese Woche bezahlt, das Marmeladenglas war leer gewesen, sie hatte extra nachgesehen, und heute war Mittwoch.
    »Raffke. Du kriegst dein Geld schon.« Er ging in sein Zimmer, neuerdings nahm er sein Sakko mit der Brieftasche immer mit nach oben in sein Zimmer, und da schloß er ab. Ein paar Minuten später kam er zurück. »Da!« sagte er und legte das Geld auf den Eßtisch, es waren zweihundertvierzehn Mark und dreißig Pfennig, den Montag und den Dienstag hatte er abgezogen.
    »Hoffentlich hast du aufgerundet«, sagte Anna nur. Er war wirklich ein Erbsenzähler.
    »Zwei Pfennige«, erwiderte er. »Ich gehe jetzt. Vergiß den Samstagabend nicht. Und zieh dir etwas Ordentliches an.«
    Anna starrte ihm nach. Einen wie Till konnte man nicht backen und nicht erfinden, höchstens umbringen. Dann fiel ihr der Catsuit ein, der sündhaft teure Katzenanzug aus der Nobelboutique, bei dem man jede Sommersprosse abgemalt sah. Sie grinste, Till würde staunen. Sie begann, sich auf den Samstag zu freuen. Ein bißchen mulmig war ihr auch, aber das gehörte dazu, Lampenfieber vor dem großen Auftritt.
     
    »Wo ist dein grauer Mantel?« fragte Till. Auf der Einladung stand zwanzig Uhr. Sie hatten noch eine halbe Stunde Zeit. Letztes Jahr waren sie auch zu früh gewesen, und Anna hatte sich geschlagene zwanzig Minuten die Auslage eines Dekorationsgeschäftes ansehen müssen, denn vor der angegebenen Zeit durften sie natürlich auch nicht eintreffen.
    »Wer sagt dir, daß ich den grauen anziehen will?« fragte Anna zurück.
    »Ein anderer paßt nicht.«
    »Rot vielleicht«, hielt Anna dagegen. Er wußte nicht, daß sie den roten Mantel schon vor Monaten an Regina weitergegeben hatte.
    »Willst du mich unmöglich machen?«
    »Nein, Liebling! Gewiß nicht!«
    »Hör auf mit dem Blödsinn!«
    »Ich denke, ich soll heute abend die liebende Gattin mimen.«
    »Es reicht, wenn du vor Ort damit anfängst. Glaubst du, ich habe Spaß an dieser Komödie?«
    »Immer nur lächeln, immer vergnügt …« trällerte Anna, »woraus ist das noch mal, Liebling?«
    »Wo ist der gottverdammte Mantel?« raunzte Till.
    »Hier, Liebling!« Sie gab ihm den Mantel. Über ihrem Cat-suit trug sie ein langgezogenes Jackett im Reiterstil. Till bekam lediglich eine Symphonie von Grautönen zu sehen, grau fand er edel, er beanstandete nur die Ohrringe. Anna hatte

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