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Hexensabbat

Hexensabbat

Titel: Hexensabbat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegrit Arens
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glauben wollen, daß es sich bei Andrea um eine fertig ausgebildete Floristin handelte. »Ich hätte ihre neue Hilfe höchstens für fünfzehn gehalten«, hatte sie damals zu dem Besitzer des Blumenladens gesagt. »Nein, nein, sie ist schon zwanzig«, hatte ihr der geantwortet, »aber sie kommt aus der Heimat meiner Frau, aus Odenkirchen, da sind sie noch nicht so frühreif wie hier.« Anna hatte genickt. Jetzt würde sie nicht mehr nicken, die Unschuld aus Odenkirchen trieb es mit einem verheirateten Mann, der ihr Vater sein könnte, mit ihrem Mann und in ihrem Haus. Sie würde diese Unschuld zur Rede stellen, und wenn der ganze Blumenladen zuhörte.
    Zuerst aber würde sie sich zurechtmachen. In ihren vergammelten Jeans und mit Haaren, die ähnlich zusammengefriemelt waren wie bei dieser Person, würde die Szene, die sie in ihrem Kopf aufgebaut hatte, glatt verpuffen. Eine Haarklemme mit einer Plastiktulpe. Anna schnaufte, es war nur primitiv. Sie suchte ihren Haarreif aus echtem Schildpatt heraus, sie hatte sich entschlossen, ihre Haare glatt zurückzunehmen, dazu ein dezentes Make-up. Was hatte dieses dünne Geschöpf ihr schon entgegenzusetzen? Es sollte ins Auge fallen, jedem, der zufällig dazukam. Es würde die Runde machen, und jeder würde sagen: Wie kann er nur, hat eine Klasse-Frau und gibt sich mit Pipimädchen ab! Genauso würde es sein.
    Anna nahm das Gemüse aus dem Einkaufskorb, sie hatte es eben glatt vergessen. Es würde verderben, wenn sie es nicht schleunigst versorgte. Die Blumenfee würde ihr nicht weglaufen, und hinterher würde sie nicht mehr viel Ähnlichkeit mit einer Fee haben. Womöglich bekam sie sogar die Kündigung.
    Anna wollte gerade ihren Mantel überziehen – sie hatte sich für den grauen mit dem Pelzkragen entschieden, den Till ihr geschenkt hatte, es war ihr elegantester Mantel – als das Telefon klingelte. Sie lief zu der Kommode, auf der das Ladegerät stand, aber das Telefon lag nicht auf, mittlerweile hatte das Läuten aufgehört. Anna drückte auf die Taste für den Suchlauf, sie mußte nur dem Piepston hinterhergehen, um den Apparat zu finden. Till nahm zwar für sich in Anspruch, ein ordentlicher Mensch zu sein, aber anscheinend war er nicht einmal fähig, das Telefon ordnungsgemäß zurückzulegen. Anna ging dem Piepsen nach, es kam aus Tills Zimmer, aus dem ehemaligen Gästezimmer. Anna drückte auf die Klinke, er hatte wieder abgeschlossen, und das Telefon hatte er mit eingeschlossen. Jetzt konnte sie aus ihrem eigenen Haus nicht einmal mehr anrufen, und es konnte sie auch niemand erreichen, sie war von der Außenwelt abgeschnitten. Sie setzte sich hin und weinte. Hinterher war das dezente Make-up ruiniert, ihre Augen waren verquollen, und die Haare zottelten.
    Ich bringe ihn um! Anna ging in die Küche, es mußte noch Kamillentee dasein. Sie stellte den Wasserkessel auf und hängte drei Beutelchen in eine Suppentasse. Sie suchte nach etwas, was sie als Kompresse benutzen konnte, im Bügelkorb lagen Tills Stofftaschentücher; er weigerte sich strikt, Tempos zu benutzen. Seine Mutter schenkte ihm jedes Jahr ein halbes Dutzend Batisttaschentücher, »made in Switzerland«, handgesäumt und mit Monogramm und mit einem farbigen Blockstreifen am Rand, voriges Jahr waren die Streifen silbergrau gewesen und in dem Jahr davor weinrot, an den Farben ließ sich das Jahr ablesen, in dem die Taschentücher geschenkt worden waren. Anna nahm eines von dem Stapel weg und zerschnitt es säuberlich in Streifen. Es war eines aus der jüngsten Ära, silbergrau gestreift. Anna schniefte und begann, vor sich hin zu summen: »… da waren’s nur noch fünf.«
    Das Telefon klingelte noch ein paarmal. Jedesmal kochte die Wut in Anna neu hoch. Sie überlegte, ob sie einen Schlosser kommen lassen sollte, aber dann fiel ihr ein, daß sie nicht genug Geld hatte, um den Mann bar zu bezahlen. Einmal hatte sie einen Schlüsseldienst bestellen müssen, weil sie den Schlüssel von innen in der Haustür hatte stecken lassen; der Mann wollte bar bezahlt werden, und sie hatte sich das Geld von Nachbarn geliehen. Sie stellte es sich vor, nebenan bei Krämers: »Ich brauchte mal schnell zweihundertachtzig Mark, um das Zimmer von meinem Mann aufknacken zu lassen.« Das Bild hatte etwas. Im Grunde war nicht sie diejenige, die sich schämen müßte.
    Als Anna dann schließlich ihren Mantel anzog, war es nicht der graue, sondern nur der einfache Wettermantel, mit dem sie auch bequem Fahrrad fahren konnte.

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