Hexensabbat
Sie sah Till wieder vor sich, wie er den Barkeeper herangeschnipst und ein Taxi für sie geordert hatte. Er war bei dieser Blonden sitzengeblieben. Es war ein sehr blasses Blond gewesen, vom Alter her hätte es genausogut weißes Haar sein können. Till war nachts nicht heimgekommen.
Anna hatte schon den Gemüseschub des Kühlschranks aufgezogen, als sie den Zettel sah. Vor einer Stunde war er noch nicht dagewesen, darauf konnte sie schwören. Till mußte extra zurückgekommen sein.
Sie stieß die Kühlschranktür zu und griff nach dem Papier.
»Dein Wäschepuff stinkt«, las sie, und dann: »Für alle Fälle meine Adresse in Hamburg …« Sie wußte, daß die »Star Ring« mit der »Rem« in Hamburg fusionierte. Im Grunde war es ihr recht, Till nicht sehen zu müssen, die Stimmung war auf den Nullpunkt gerutscht. Aber das mit dem Wäschepuff war eine Unverschämtheit. Bei ihm stanken ganz andere Sachen.
»Haben Sie es gelesen?«
Anna zuckte zusammen, aber es war nur Regina. »Was tun Sie denn hier?«
»Ihr Mann hat mich gebeten, heute zu kommen. Weil er doch verreist. Und dann erst wieder nächste Woche, und ich sollte Ihnen den Brief hinlegen.«
»Ja, danke«, sagte Anna. Es war kein Brief, es war ein Blatt Papier, einmal umgeknickt. Warum machte er nicht gleich einen öffentlichen Aushang?
»Ich gehe jetzt«, sagte die Frau und blieb in der Tür stehen.
»Ja«, antwortete Anna und kam sich vor wie im Zoo. »Ist noch was?« fragte sie.
»Nichts ist«, antwortete die andere und bückte sich, um ihre Hausschuhe, auf denen Till wegen dem fast weißen Teppich bestand, gegen Straßenschuhe auszutauschen. Danach knöpfte sie sich den Kittel auf und zog endlich ihren Mantel an. Die ganze Zeit über versperrte sie Anna den Weg, sie hatte sich in dem Durchgang von der Küche zur Diele aufgebaut, statt sich wie sonst irgendwo umzuziehen, wo sie niemanden störte.
Anna ging ins Bad, sie mußte sowieso aufs Klo. Als sie den Deckel des Wäschekorbs hochhob, roch es in der Tat modrig. Sie kippte den Korb um, es war die Badematte, die so stank, ein feuchter Klumpen mit Stockflecken, daran klebte ihr bester Büstenhalter. Das bekam sie nie mehr raus, sie hätte heulen können. Natürlich wäre sie nie so blöde gewesen, die nasse Matte in den Korb zu stopfen.
Mechanisch sortierte sie die Schmutzwäsche, es war auch eine Unterhose von Till dabei. Der Bund war schon ausgeleiert, aber er trug diese alten Hosen noch nachts auf. Das war auch so eine Marotte von ihm, er verpackte sich nachts wie eine ängstliche Jungfer. Viel Verpackung und wenig Inhalt, Anna kicherte unwillkürlich. Sie schwenkte das Wäschestück, vorn war der übliche gelbe Fleck. Sie sollte seine bepißte Hose in einen Umschlag tun und seiner Tussi schicken – »Liebesgrüße von Till«. Nur welcher Tussi?
Einen Moment lang stand Anna unschlüssig vor dem Wäschekorb. Er war innen mit einer Art Lackfolie ausgeschlagen, aber sie ekelte sich davor, mit der Hand in das bauchige Gehäuse zu fahren und es auszuwischen. Schließlich holte sie den Staubsauger und hielt das blanke Rohr hinein. Unten am Boden stockte der Luftstrom, garantiert war wieder irgendein Socken hängengeblieben. Sie zog das Rohr heraus, an der Öffnung haftete ein heller Streifen. Sie tippte mit dem Fuß auf die Aus-Taste und nahm das Ding ab. Es war eine Slipeinlage, im Fernsehen machten sie Werbung dafür. Anna selbst hatte so etwas noch nie benutzt.
Als hätte eine Viper sie gebissen! Anna schüttelte das Ding vom Finger, es pappte mit einem Klebestreifen an ihr fest. Das Metallrohr des Staubsaugers schepperte über die Bodenfliesen. Anna kauerte sich auf den Rand der Badewanne, ein Knie angezogen und den Kopf darauf abgestützt, ein paarmal geriet sie ins Schwanken, instinktiv stützte sie sich mit einer Hand an der Wand ab. Till mußte eine Frau mit hierher gebracht haben …
Irgendwann stand sie auf, rieb sich über den Po, der schmerzte, und begann, von Zimmer zu Zimmer zu gehen. Sie dachte nicht darüber nach, was sie tat. Sie nahm die Seidenkissen von der Couch, drehte Sitzpolster um, fuhr mit der Hand in Ritzen, blätterte den Stapel mit seinen Zeitungen durch. Hinter seinem Zweisitzersofa wurde sie fündig, eine billige Haarklemme, goldfarben mit einer aufgeklebten Tulpe aus pinkrosa Plastik. Die Blumenmaid also, dachte Anna, die steckte mit solchen Klemmen ihren Pony bei der Arbeit zurück, es ließ sie geradezu lächerlich jung aussehen.
Ganz zu Anfang hatte Anna nicht
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