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Hexenschuss: Tannenbergs dreizehnter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Hexenschuss: Tannenbergs dreizehnter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Hexenschuss: Tannenbergs dreizehnter Fall (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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albernen bordeauxfarbenen Bauchbinde. Ich musste ja so an mich halten, damit ich nicht lauthals loslachte und vielleicht beim alles entscheidenden Schuss die Waffe verriss.«
    Lotte und Rolla nickten synchron.
    »Dann stellt sich dieser eitle Fatzke vor euer großes Terrassenfenster und bewundert sich minutenlang in der Scheibe«, fuhr sie fort. »Nicht gelogen, Lotte, minutenlang wirft er sich in Pose, fummelt an seiner Fliege herum, bläht den Brustkorb auf, begafft sich von allen Seiten. Ich hab schon gedacht, dieser Scheißkerl dreht sich überhaupt nicht mehr um.«
    Um die Spannung noch zu steigern, legte sie erneut eine Kunstpause ein, in der sie sich einen großen Schluck Champagner einverleibte.
    »Und dann?«, keuchte Lotte.
    Vicki grinste wie ein Honigkuchenpferd. »Dann war es Gott sei Dank endlich so weit und er hat mir den Rücken zugewandt. Ein kleiner Druck mit dem Zeigefinger.« Sie klatschte in die Hände. »Und schon konnte er dich nie mehr nerven, nie mehr. Diese Aktion war wirklich total easy und hat so was von Spaß gemacht, kann ich euch flüstern.«
    Vicki zog ein Papiertaschentuch aus ihrer Jacke und schnäuzte sich trompetend die Nase. »Eigentlich war’s genauso einfach wie dieses Naseputzen. Quatsch, es war bedeutend einfacher.« In hohem Bogen flog das zusammengeknüllte Papiertaschentuch über Rolla hinweg und segelte den Steilhang hinunter.
    »Wie kann ich dir nur jemals dafür danken, dass du mich von diesem widerlichen Scheusal befreit hast?«, versetzte Lotte mit bebender Stimme.
    Mit ihrer Schuhspitze zeichnete Vicki kleine Kreuze in den Sand. »Schon gut, Schwesterherz. Erstens helfe ich dir sehr gerne und zweitens hat es wie gesagt einen Mordsspaß gemacht. – Mordsspaß«, wiederholte sie und schüttelte kichernd den Kopf. »Unsere Sprache weist schon einige Kuriositäten auf.«
    Eine Weile lang wanderte bleiernes Schweigen zwischen den unheimlichen Schwestern hin und her.
    »Wolltest du uns nicht eine Liste mit weiteren Kandidaten zeigen?«, brach Vicki als Erste die Stille.
    Lotte war völlig in der Welt ihrer Gedanken versunken. Erst als Vicki sie von der Seite her anrempelte und den Satz wiederholte, reagierte sie. Sie räusperte sich ausgiebig.
    »Doch, dazu kommen wir gleich«, erklärte die Ehefrau des Ermordeten. Mit einem Mal wirkte sie wieder bedeutend ruhiger und gefasster. »Vorher aber noch etwas anderes. Da wir nun schon mal an solch einem sagenumwobenen Ort sind, möchte ich euch gerne die Sage vom Jungfernsprung vorlesen.«
    Rolla hatte die ganze Zeit über schweigend dem Dialog ihrer Freundinnen gelauscht und freute sich nun über den Themenwechsel. »Au ja, das ist eine sehr gute Idee«, lobte sie. »Ich habe schon als Kind gerne Sagen- und Märchenbücher gelesen. Aber diese Sage kenne ich nicht.«
    »Möchte auch meine unheimliche Schwester Vicki die unheimliche Sage vom Jungfernsprung hören?«, fragte Lotte.
    »Würde es denn etwas nützen, wenn ich nein sagen würde?«, konterte Vicki.
    »Nein, das würde es nicht«, entgegnete Lotte, während sie ein Blatt Papier aus dem Rucksack zog und es auseinanderfaltete.
    »Das habe ich mir doch glatt gedacht«, meinte Vicki. »Wie ich dich kenne, hast du den Ablauf unseres Hexennachtausfluges bis ins Detail geplant. Auch das mit der Sage. Stimmt’s oder habe ich recht?«
    »Na klar hab ich alles geplant. Denn gut geplant, ist halb gewonnen.«
    »Sagt man nicht ›Frisch gewagt ist halb gewonnen‹?«, wandte Rolla ein. »Na, was meint unsere begnadete Schriftstellerin zu dieser germanistischen Frage?«
    »Ich glaube, frau kann beides sagen«, antwortete Vicki. »Nur Mut zur sprachlichen Kreativität, Schwesterherz. Niemand, vor allem kein Mann, kann dir verbieten, irgendwelche Redewendungen nach Gutdünken abzuändern.«
    »Klugscheißerin«, polterte Rolla.
    »Ruhe, Schwestern!«, beendete Lotte den aufkeimenden Disput. »So lauschet nun der alten Sage vom Jungfernsprung«, verkündetet sie in gestelzter Form. Anschließend gab sie ihren eigens für dieses Treffen aus mehreren Quellen zusammengebastelten Text zum Besten: »›Vor vielen, vielen Jahren litten dereinst im Dahnertal die Menschen unter der Knechtschaft der adligen Herrenhäuser‹«, las sie im Stil einer Märchentante von ihrem Zettel ab. »›Zum Ausgleich für ihr gottgefälliges und rechtschaffenes Leben versprachen die gnädigen Rittersleut und Fürsten ihren Vasallen Schutz vor Mördern, Plünderern und Brandstiftern. Doch die Burgherren des

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