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Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)

Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)

Titel: Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Koch
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im Luftschutzkeller verschüttet gewesen. Fünf Tage und Nächte ohne Strom, ohne Licht, ohne Essen. Nur mit ein paar Feldflaschen Wasser. Als die Sirenen geheult hatten, war sie in den Keller gerannt und hatte gedacht, in zwanzig Minuten wäre alles wieder vorbei, wie schon so oft in diesen Tagen. Diemeisten Bewohner des Hauses waren sogar in ihren Wohnungen geblieben, weil sie geglaubt hatten, es würde schon nichts passieren. Doch dann war da ein Heulen gewesen und dann ein Schlag, so laut und mächtig, wie sie es in ihrem ganzen Leben noch nicht gehört hatte. Und danach ein Beben und Krachen wie ein Donnern, das einfach nicht aufhören wollte. Sie hatte nur die Lampe an der Decke angestarrt, das Licht hatte ein paar Mal geflackert und war dann erloschen, und da hatte sie sofort gewusst, dass das Haus getroffen worden und eingestürzt war. Aber sie waren am Leben geblieben, sie und der alte Herr Gruber. Die einzigen, die in den Luftschutzkeller geflüchtet waren. Die einzigen, die in diesem Haus überlebt hatten. Sie waren im Dunkeln gesessen und die meiste Zeit hatten sie geschwiegen und auf die Geräusche gehört, die von oben gekommen waren. Manchmal ein Poltern, manchmal ein Knirschen, manchmal ein Splittern, manchmal Stimmen, und dann lange wieder nur Stille. Sie holen uns hier raus, hatte der Herr Gruber immer wieder gesagt. Sie holen uns hier raus, Fräulein Baumann, sie holen uns hier raus. Und sie hatten sich das Wasser geteilt, jeder immer nur ganz winzige Schlucke. Manchmal war sie ein bisschen eingenickt, aber Hunger, nein, Hunger hatte sie eigentlich nie verspürt. Nur die Angst war schrecklich gewesen. Diese Angst, aus dem Keller nie wieder herauszukommen. Ein Leben lang eingeschlossen zu bleiben im Dunkeln. Weil es nie enden würde, nie, auch wenn der alte Herr Gruber das Gegenteil behauptete. Für immer gefangen zu sein in diesem Loch, mit nichts als dieser Stimme, die in alle Ewigkeit wiederholen würde, sie holen uns hier raus, Fräulein Baumann, sie holen uns hier raus. Doch dann hatte sie an Ludwig gedacht, an Ludwig und an seine wunderschönen Briefe, die er ihr aus der Kriegsgefangenschaft geschrieben hatte, und an all das, was er ihr in diesen Briefen versprochen hatte, dass sie heiraten würden, wenn der Krieg endlich zu Ende wäre, heiraten und ein Haus bauen, ihr eigenes kleines Haus am Stadtrand, ganz in der Nähevom Lindenwirt, zu dem sie bei seinem letzten Heimaturlaub hinausgefahren waren und wo er sie gefragt hatte, ob sie seine Frau werden würde, ihr eigenes Haus, in dem sie glücklich sein würden, und Kinder würden sie haben und alles würde gut werden. Daran hatte sie gedacht und auf einmal hatte sie keine Angst mehr gehabt oder nur mehr ganz selten. Und als man sie herausgeholt hatte, war sie ganz erstaunt gewesen, dass sie tatsächlich nur fünf Tage eingeschlossen gewesen war, denn sie hatte gedacht, es wären Jahre gewesen. Von ihrer kleinen Wohnung war nichts übrig geblieben als die hintere Wand und der halbe Boden des Schlafzimmers. Und das Nachtkästchen. Wie eine gespenstische Theaterkulisse. Und in der Schublade des Nachtkästchens hatte sie die Mappe mit ihren Papieren gefunden. Und Ludwigs Briefe. Und das war auch schon alles gewesen, was sie besessen hatte, als der Krieg zu Ende gewesen war. Ihr Vater war irgendwo in Russland gefallen. Ihre Mutter hatte im Herz-Jesu-Asyl ein halbes Jahr lang einem viel zu frühen Tod entgegengedämmert, in einem weiß gestrichenen Eisenbett in einem Krankensaal, in dem noch dreißig weitere Eisenbetten gestanden waren, nichts als weiß gestrichene Eisenbetten mit sterbenden Frauen, und wo es immer nach Desinfektionsmitteln und Urin und abgestandenem Essen gerochen hatte. Sie selber war bei einer alten Tante untergekommen und hatte in deren Bäckerei als Verkäuferin ausgeholfen, ohne recht zu wissen, wie es denn nun weitergehen würde mit ihrem Leben und mit ihren Träumen. Sie hatte einfach gewartet. Nach einem Jahr war dann tatsächlich eines schönen Tages Ludwig ins Geschäft gekommen. Und Ludwig hatte Wort gehalten, und alles war so geworden, wie er es ihr in seinen Briefen versprochen hatte.
    Sie hatten Glück gehabt. Die Autowerkstatt, in der Ludwig vor dem Krieg als Mechaniker beschäftigt gewesen war, hatte nicht mehr existiert, aber dann hatte er erfahren, dass man bei der Polizei Leute aufnehme. Ludwig war ja politisch unbelastet gewesen,wie es damals geheißen hatte, und so war es kein Problem für ihn gewesen, in den

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