Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)
Christina offenbar doch Geschmack an der Idee mit dem Garten gefunden hatte.
„Großartig“, log Wagner. „Unser erstes gemeinsames Essen im Garten. Ich freu mich riesig.“ Er überlegte kurz und holte dann eine rot-schwarz karierte Wolldecke von der Rückbank seines VW-Käfers . „Zum Draufsetzen. Wir haben zwar früher einmal Gartenstühle gehabt, aber ich hab keine Ahnung, wo die jetzt sind.“
„Decke in der Wiese ist perfekt“, sagte Christina und strahlte Wagner an. Sie schien heute bester Laune zu sein.
Und dann staunte Wagner, was Christina alles aus dem kleinen Korb zutage förderte. Auf die unvermeidliche Thermoskanne Kaffee folgten Becher, Teller, Gabeln, Papierservietten, in Scheiben geschnittenes Weißbrot, eine Plastikschüssel mit Kartoffelsalat, noch eine mit Gurkensalat, und zu guter Letzt ein in Alufolie verpacktes, vorsorglich in Stücke zerteiltes, ganzes Brathuhn.
Christina faltete eine Papierserviette auseinander und steckte sie in den Ausschnitt ihrer schwarzen Kellnerinnenbluse. „Keine Zeit zum Umziehen. Aber ich muss ja nachher nicht unbedingt mit Fettflecken auf der Bluse im Dienst erscheinen, oder?“ Dann schnappte sie sich einen Hühnerflügel und begann ihn abzunagen.
Wagner legte eine halbe Hühnerbrust auf seinen Teller und dazu ein bisschen Kartoffelsalat. Dann stellte er den Teller neben sich auf der Decke ab und griff nach der Thermoskanne.
„Vielleicht doch lieber zuerst einen Kaffee.“
„Ganz wie du magst, Klaus“, sagte Christina und riss aus dem Hühnerflügel einen langen, dünnen Knochen, um besser an das zarte Fleisch zu kommen. Sie führte den Knochen in ihren Mund, zog ihn dann ganz langsam zwischen den zusammengebissenen Zähnen heraus und legte das blank geputzte Stück an den Rand der Alufolie. Dann folgte der nächste Knochen.
Wagner saß mit angezogenen Beinen auf der Decke, trank schluckweise seinen Kaffee und beobachtete Christina, wie sie genussvoll den Hühnerflügel zerlegte und die Fleischfasern von den Knochen löste.
„Schmeckt’s?“
„Mhm. Ich liebe Brathuhn. Du nicht?“
„Doch. Geht so.“
„Außerdem ist Hühnerfleisch gesund.“
„Ja. Hab ich gehört.“
„Und wieso isst du dann nichts?“
„Weiß nicht. Vielleicht später.“
Christina war mit dem Flügel fertig. Jetzt nahm sie sich die andere Hälfte der Hühnerbrust. Sie bohrte einen Zeigefinger zwischen die Rippen und das schwarz gebratene Lungengewebe, riss die Lunge vorsichtig heraus und ließ sie in ihrem Mund verschwinden.
„Einfach herrlich“, murmelte sie mit vollem Mund.
Wagner schob Christina seinen Teller hin.
„Wenn du willst, Chris? Du kannst meins gern auch haben.“
„Ehrlich?“
„Klar.“
„Danke“, sagte Christina und nahm das Bruststück vom Teller.
„Das ist einfach das Beste. Aber alles andere ist dann nur für dich, ja?“
„Später, Chris. Später.“
Wagner blickte auf den Rest des Brathuhns, das auf der fettigen Folie lag. Vielleicht doch ein ganz kleines Stück, einfach um Christina eine Freude zu machen, dachte er. Einen Bissen wenigstens.
Doch dann sah er sie: die Ameisen! Die Überlebenden, die der großen Ameisenhölle entkommen waren. Und die sich dafür nun am toten Hühnerfleisch schadlos hielten. Zehn, elf, zwölf bis jetzt, doch wer weiß, wie viele noch kommen würden, schon im Anmarsch waren auf ihrer Heerstraße durch den Garten. Denn es war wohl klar, dass es nur ein kleiner Teil des Ameisenvolks gewesen sein konnte, der vorhin im Feuer den Tod gefunden hatte.
Mit ein paar hastigen Griffen packte Wagner das restliche Huhn samt den Ameisen in die Folie.
„Damit alles frisch bleibt, weißt du. Wär’ ja sonst schade drum.“ „Du hast Recht“, sagte Christina. „Ich lass’ dir alles da. Du kannst mir den Korb ja am Abend wieder mitbringen.“ Sie steckte noch ein Stück Brot in den Mund, wischte sich mit zwei Servietten sorgfältig den Mund und die Finger ab und streckte sich dann mit einem zufriedenen Seufzen auf der Decke aus.
„Ach, war das fein.“ Sie verschränkte ihre Hände hinter dem Kopf und blinzelte in den Himmel. „Es ist wirklich herrlich hier, Klaus. Wirklich herrlich.“ Sie räkelte sich und machte die Augen zu, als wollte sie schlafen.
Wagner kippte das kleine Häufchen Kartoffelsalat von seinem Teller zurück in die Schüssel. Dann drückte er leise die Plastikdeckel auf die Salatschüsseln, sammelte die Teller und Gabeln ein, wickelte die Brotscheiben in eine Serviette und gab
Weitere Kostenlose Bücher