Hexenstunde
ihrem Messer aufritzte und mein Blut auf den Körper dieser Puppe fallen ließ. Ja, sie tränkte das ganze Ding damit, bis sie eine rote Puppe mit blonden Haaren hatte.
»Was gedenkst du mit diesem greulichen Ding zu tun?« fragte ich sie.
»Du weißt, was ich zu tun gedenke«, antwortete sie.
»Ah, dann steht mein Tod also fest.«
»Petyr«, sagte sie in ganz flehentlichem Ton, und die Tränen sprangen ihr aus den Augen. »Es wird vielleicht noch Jahre dauern, bis du stirbst, aber diese Puppe gibt mir Macht.«
Ich sagte nichts. Als sie gegangen war, wandte ich mich dem Rum zu, der die ganze Zeit für mich bereitgestanden hatte und der natürlich viel stärker war als der Wein, und damit trank ich mich in gräßliche Träume.
Aber tief in der Nacht rief dieses kleine Erlebnis mit der Puppe ein mächtiges Grauen in mir wach, und so begab ich mich wiederum an meinen Tisch, griff zur Feder und schrieb für sie nieder, was ich über Dämonen wußte – diesmal nicht in der Hoffnung, sie zu warnen, sondern vielmehr, um sie anzuleiten.
Ich dachte, sie müsse wissen, daß der ganze Dämonenglaube von einer gewissen Folgerichtigkeit sei, denn wir wissen ja, daß Dämonen durch unseren Glauben an sie gestärkt werden. Also können sie natürlich für diejenigen, die sie anrufen, göttergleich werden; wenn aber ihre Anbeter besiegt und vernichtet sind, sinken auch die Dämonen wieder zurück ins Chaos oder werden zu geringen Wesen, die nur dann und wann auf den gelegentlichen Ruf eines Magiers antworten.
Und ich schrieb weiter über die Macht der Dämonen. Daß sie Illusionen für uns schaffen können, daß sie in Menschenkörper eindringen und von ihnen förmlich Besitz ergreifen können. Daß sie Gegenstände bewegen können, und daß sie uns erscheinen können, wenngleich wir nicht wissen, woher sie den Stoff ihres Körpers beziehen.
Was Lasher anging, so war es meine Überzeugung, daß sein Körper aus Materie bestand, die durch seine eigene Kraft zusammengehalten wurde, aber daß er dies nur für kurze Zeit vermochte.
Ich beschrieb, wie der Dämon mir erschienen war, welche seltsamen Reden er geführt hatte und wie ich über seinen Worten gegrübelt hatte. Ich erklärte, sie müsse sich dessen bewußt sein, daß dieses Ding leicht der Geist eines längst verstorbenen Menschen sein könne – an die Erde gefesselt und voller Rachsucht. Die Alten glaubten ja ohne Ausnahme, daß die Geister derer, die schon in der Jugend oder durch Gewalt starben, nach Vergeltung lechzende Dämonen werden könnten, während die Geister der Guten diese Welt verlassen.
Was immer ich sonst noch schrieb – es war eine Menge -, weiß ich nicht mehr, denn ich war völlig der Trunkenheit anheim gefallen; vielleicht war das, was ich ihr am nächsten Tag in die zarten Hände legte, nur ein klägliches Gekritzel. Doch vieles versuchte ich ihr ungeachtet ihrer Proteste zu erklären, wenngleich sie behauptete, ich hätte das alles schon gesagt.
Was Lashers Worte betraf, die seltsame Weissagung, die er mir an jenem Morgen gemacht hatte, so lächelte sie darüber nur, und wann immer ich darauf zu sprechen kam, sagte sie, Lasher beziehe seine Rede in Fragmenten von uns, und so sei vieles von dem, was er sage, ohne Sinn.
»Das stimmt nur teilweise«, warnte ich sie. »Das Sprechen ist ihm ungewohnt, das Denken aber durchaus nicht. Da liegt dein Irrtum.«
Die Tage vergingen, und mehr und mehr überließ ich mich dem Rum und dem Schlaf. Die Augen öffnete ich bald nur noch, um zu sehen, ob sie da war. Und just wenn ihre Abwesenheit mich zur Raserei getrieben hatte, ja, wenn ich bereit war, sie in meiner Wut zu verprügeln, pflegte sie unfehlbar zu erscheinen. Wunderschön, nachgiebig, sanft in meinen Armen, die Verkörperung aller Poesie, das Gesicht, das ich unausgesetzt malen würde, wäre ich ein Rembrandt, der Leib, den der Sukkubus annehmen müßte, um mich ganz und gar für den Teufel zu gewinnen.
All mein Verlangen wurde in jeder Hinsicht gestillt, und doch lechzte ich stets nach mehr. Dann und wann kroch ich aus dem Bett und betrachtete das Meer. Und oft wachte ich auf und studierte das Fallen des Regens.
Viele Gedanken kamen mir in den Sinn, Stefan, Gedanken, genährt von der Einsamkeit und der Wärme und dem Gesang der Vögel in der Ferne und der frischen, süßen Luft der Wellen, die unten am Strand leise rauschten.
In meinem kleinen Gefängnis begriff ich, was ich in meinem Leben vertan hatte, aber es ist so schlicht und traurig,
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