Hexenstunde
anzusehen, die allein zurück geblieben war.
Schließlich schob ich meinen Teller beiseite. »Wie lange gedenkst du mich hier festzuhalten?«
»Bis ich ein Kind von dir empfangen habe«, antwortete sie. »Und dafür gibt es vielleicht schon sehr bald Anzeichen.«
»Nun, deine Chance hast du gehabt«, sagte ich, doch noch während ich die Worte sprach, fühlte ich die Lust der vergangenen Nacht wieder, und ich sah mich selbst wie in einem Traum, wie ich ihr den hübschen Seidenkittel vom Leibe riß und ihre Brüste entblößte.
Sie wußte es. Kein Zweifel, sie wußte es. Sie kam zu mir und setzte sich auf meinen Schoß und sah mir in die Augen. Eine so zarte, leichte Last, fürwahr. »Zerreiße die Seide, wenn du magst«, sagte sie. »Du kannst nicht hinaus. Also tu, was du tun kannst in deinem Gefängnis.«
Ich packte sie bei der Kehle. Sogleich wurde ich rückwärts zu Boden geschleudert. Der Stuhl kippte um. Aber es war nicht sie gewesen, die das getan hatte; sie war nur zur Seite gesprungen, um nicht verletzt zu werden.
»Ah, er ist also hier«, sagte ich und seufzte. Ich konnte ihn nicht sehen, doch dann wieder vermochte ich es doch, als er sich wie ein Gewitter unmittelbar über mir zusammenzog. Dann zerstreute er sich wieder; die wolkige Wesenheit über mir wurde immer dünner und verschwand bald ganz. »Zeige dich als Mann, wie du es heute morgen getan hast«, sagte ich. »Sprich mit mir, wie du es heute morgen getan hast, du kleiner Feigling, kleiner Geist!«
Alles Silber im Zimmer begann zu klappern. Das Moskitonetz geriet in Wallung. Ich lachte. »Dummer kleiner Teufel.« Ich stand auf und klopfte meine Kleidung ab. Das Ding schlug mich, aber ich konnte die Stuhllehne ergreifen. »Mieser kleiner Teufel«, sagte ich. »Und so feige.«
Staunend beobachtete sie dies alles. Ich wußte ihren Gesichtsausdruck nicht zu deuten – war es Argwohn oder Angst? Dann flüsterte sie etwas, und ich sah, wie die Gardine vor dem Fenster zu wehen begann, als fliege das Ding dort hinaus. Wir waren allein.
»Fordere ihn nicht noch einmal heraus«, sagte sie furchtsam, und ihre Unterlippe bebte. »Ich will nicht, daß er dich verletzt.«
»Ach – kann die mächtige Hexe ihn denn nicht zurück halten?«
Verloren sah sie aus, wie sie sich an den Bettpfosten klammerte und den Kopf hängen ließ. Und so bezaubernd! So verführerisch! Sie brauchte keine Hexe zu sein, um mich zu behexen.
»Du willst mich doch«, sagte sie. »Nimm mich. Und ich werde dir etwas sagen, das dein Blut besser erwärmt als irgendeine Droge, die ich dir geben kann.« Sie blickte auf, und ihre Lippe zitterte, als möchte sie gleich anfangen zu weinen.
»Was wäre das?« fragte ich.
»Daß ich dich will«, sagte sie. »Ich finde dich schön. Ich sehne mich schmerzlich nach dir, wenn ich neben Antoine liege.«
»Dein Pech, Tochter«, sagte ich kalt. Was für eine Lüge!
Einen Augenblick lang sagte sie nichts; dann kam sie zu mir und begann von neuem mit ihren Verführungen – mit zarten, töchterlichen Küssen zunächst, doch dann griff ihre Hand suchend nach mir, und ihre Küsse wurden inbrünstiger. Und ich war so töricht wie zuvor.
Nur mein Zorn verhinderte, daß es geschah. Ich wehrte mich. »Gefällt es deinem Geist?« fragte ich und schaute ringsum ins Leere. »Daß du dich von mir berühren läßt, wenn er dich berühren möchte?«
»Spiele nicht mit ihm!« sagte sie furchtsam.
»Ah, er mag dich noch so oft berühren, liebkosen, küssen: Schwängern kann er dich nicht, wie? Er ist nicht der Inkubus aus den Dämonologien, der den schlafenden Männern den Samen stehlen kann. Und so läßt er mich leben, bis ich dir ein Kind gezeugt habe.«
»Er wird dir nichts tun, Petyr, denn ich werde es nicht erlauben. Ich habe es ihm verboten!«
»Behalte diesen Gedanken im Kopf, liebe Tochter, denn er kann deine Gedanken lesen, vergiß das nicht. Vielleicht sagt er dir, daß er tut, was du willst, aber in Wirklichkeit tut er, was er selbst will. Heute morgen ist er zu mir gekommen; er hat mich verspottet.«
»Belüge mich nicht, Petyr.«
»Ich lüge nie, Charlotte. Er war hier.« Und ich beschrieb die ganze Erscheinung und gab auch seine seltsamen Reden wieder. »Nun, was kann das bedeuten, meine Hübsche? Glaubst du, er hat keinen eigenen Willen? Du bist eine Närrin, Charlotte. Schlafe mit ihm statt mit mir!« Ich lachte sie an, und als ich den Schmerz in ihren Augen sah, lachte ich noch mehr. »Das würde ich gern sehen: dich und deinen
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