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Hexensturm

Hexensturm

Titel: Hexensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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sicher, ob er da draußen im Moor ist oder nicht. Ohne Verstärkung können wir das nicht nachprüfen. Aber lass uns mal da am Waldrand weitergehen – pass nur auf, das sieht nach Treibsand aus. Vielleicht finden wir irgendwelche Hinweise darauf, dass er stattdessen weiter drüben wieder in den Wald geschleift wurde.«
    Delilah begann wieder zu atmen. Sie warf mir einen dankbaren Blick zu und beugte sich vor, um mich auf die Wange zu küssen. »Ich danke dir. Du hast schon immer genau die richtigen Worte gefunden. Ich weiß, wie schwer das viele Jahre lang für dich gewesen sein muss – du hast die Familie zusammengehalten, und jetzt ist Vater so mit dir umgesprungen, aber … Menolly und ich verdanken dir unendlich viel.«
    Ich wandte den Blick ab, damit sie meine wahren Gedanken nicht erraten konnte, und lächelte sanft. »Dafür sind große Schwestern schließlich da. Oder? Also komm, sehen wir uns mal um. Hier – jede von uns nimmt sich einen Ast, mit dem wir den Boden prüfen können.« Treibsand war oft überhaupt nicht zu erkennen, vor allem so dicht an einem Moor. Da konnte ein guter Wanderstab einem das Leben retten.
    Langsam gingen wir am Waldrand entlang und tasteten vor jedem halben Schritt den Boden mit unseren Stöcken ab. Der Übergang zwischen Wald und Moor war schmal, höchstens zwei Meter breit, und wir hielten uns möglichst dicht an den Bäumen. Ich glaubte zwar nicht daran, dass Chase in den Wald geschleift worden war, hielt aber dennoch die Augen offen. Vielleicht behielt ich sogar recht – es wäre ein Riesenglück, aber womöglich fanden wir doch wieder eine Spur von ihm.
    Delilah und ich fanden einen gemeinsamen Rhythmus. Die kalte Luft hielt uns wach und das Summen irgendwelcher Insekten, die der Kälte trotzten. Ich wusste nicht, was das für Tiere waren, aber das klang nicht wie das gemächliche Summen von Bienen oder abendliches Grillenzirpen. Nein, das war eher ein Surren, unterbrochen von einem Popp-popp-popp. Ich spähte in die Bäume auf der Suche nach Vögeln und entdeckte tatsächlich welche – auf einem Ast saß ein Habicht, reglos, aber höchst aufmerksam.
    Von einem anderen Baum aus beobachteten mehrere Stare den Wald, zusammen mit ein paar der allgegenwärtigen Krähen. Krähen und Raben, Morganas Symbole. War sie etwa in der Nähe? Doch eine innere Stimme flüsterte mir zu: Es gibt noch mehr Wesen, die mit den schwarzen Vögeln im Bunde sind, als nur Morgana. Sei vorsichtig. Sei wachsam.
    Wir tasteten uns langsam voran und hielten Ausschau nach irgendeiner Spur von Chase. Nach einer Viertelstunde wollte ich eigentlich schon aufgeben und umkehren, als ich plötzlich etwas auf dem Boden blitzen sah. Es lag in einem Heidelbeergestrüpp ein Stückchen weiter, halb unter einem verdorrten Farn verborgen.
    »Was ist das da?« Ich zeigte darauf.
    Delilah arbeitete sich mit ihrem Ast bis zu dem Gebüsch voran, kniete sich hin und streckte vorsichtig den Arm nach dem glitzernden Ding aus. Von hier aus sah es aus wie ein Armband. Sie drehte es um und blickte dann zu mir auf.
    »Chases Armbanduhr. Die habe ich ihm diesen Sommer zum Geburtstag geschenkt.«
    Sie hatte die Uhr gravieren lassen. Ich war dabei gewesen, als sie die Gravur in Auftrag gegeben hatte: Von deinem liebsten Miezekätzchen. In Liebe – Delilah. Ich schluckte gegen einen Kloß in der Kehle an. Sie war glücklich mit Shade, aber Chase hatte ihr etwas gegeben, was ihr nie wieder jemand geben konnte: ihre erste echte Liebesbeziehung.
    Ich tastete mich zu ihr hinüber, und wir suchten das Gestrüpp ab, bis wir schließlich einen schmalen Trampelpfad entdeckten, der in den Wald hineinführte. Er war mit Laub, toten Tannennadeln und anderen Spuren des vergangenen Herbstes bedeckt, aber er war da. Und als wir näher hinsahen, erkannten wir Abdrücke im Waldboden. Auch hier sah es so aus, als sei jemand durch den Wald geschleift worden.
    »Komm, weiter«, sagte ich, und zum ersten Mal, seit Chase verschwunden war, erwachte leise Hoffnung in mir.
    Wir schoben uns durch das Unterholz und stolperten den Trampelpfad entlang, bis wir einen Kreis aus Fliegenpilzen erreichten.
    Ein Feenring. Magie ging von den Pilzen aus, alte Trickster-Magie, und ich sog scharf den Atem ein. Ich war absolut sicher, dass Chase in diesen Ring hinein-, aber nicht wieder herausgebracht worden war. Jemand hatte ihn durch den Feenring verschleppt.
    »Der Sumpfschlinger?«, fragte Delilah mit dünner Stimme.
    Ich schüttelte den Kopf. »Das

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