Hexensturm
meinen Körper. Meine Seele, meine Magie und meine Gedanken gehörten mir allein. Mein Körper mochte ihr Tempel sein, aber mein Innerstes, mein Herz, war die heilige Flamme darin.
Zu meiner Überraschung blieb er jedoch nicht lange und wühlte auch nicht in Dingen herum, die ihn nichts angingen. Nach wenigen Augenblicken zog Herne sich aus meinem Geist zurück und starrte mich verwundert an.
»Du darfst dich in meinem Reich aufhalten, aber meinen Schutz gewähre ich dir nicht. Du trägst mächtigere Magie bei dir, als gut für dich ist, und allein deshalb bist du in Gefahr. Ja, die Gefahr reitet auf dir, sie klammert sich an deinen Rücken. Du riechst meilenweit nach Aeval, und doch … ist da noch etwas anderes unter dem Gestank des Dunklen Hofs. Und dort, wo du hingehst, junge Fee, wird die Dunkle Königin dich nicht schützen können.«
Nach einer kurzen Pause stieß er ein verächtliches Grunzen aus. »Mischlinge sind so lästig. Ich mag keine Rätsel.« Er gab Tra einen Wink. »Ab mit dir. Das ist nicht Aeval. Lass die beiden in Ruhe – du darfst ihnen weder helfen noch schaden.«
»Augenblick …«
»Was willst du noch?« Schnaubend, die Hände in die Hüften gestemmt, starrte er mit blitzenden Augen auf mich herab. Delilah warf mir einen Blick zu, als sei ich nicht ganz bei Trost.
Eigentlich hatte ich ihn nach Chase fragen wollen, doch dann ließ ich es lieber sein. Falls Hernes Abneigung sich auch auf Menschen erstreckte, durfte ich den Detective nicht in Gefahr bringen. Hastig überlegte ich mir eine andere Frage.
»Habt Ihr vom Sumpfschlinger gehört? Wisst Ihr, ob er hier in der Nähe ist?« Wenn ich schon Fragen stellte, dann wenigstens welche, die uns nützen konnten.
Herne würgte beinahe. »Jetzt ist mir klar, warum ich dir nicht traue. Ja, dieser Abschaum ist nicht weit von hier. Wer sich mit Stolle Kom Leisie einlässt, bekommt dafür, was er verdient.«
»Ich habe nicht vor …«, begann ich, doch schon verschwanden Herne und Tra in einem Wirbel aus Rauhreif und trockenem Laub. Verwirrt und erleichtert – wir waren ungeschoren davongekommen! – drehte ich mich zu Delilah um.
Sie lächelte nervös. »Du kennst doch das alte Sprichwort: Hüte sich, wer die Götter ruft, denn sie könnten kommen.«
»Ich habe ihn nicht gerufen. Und Tra ist mir so was von unheimlich … Hoffentlich ist er brav und lässt uns in Frieden.« Ich zitterte immer noch und zwang mich zur Ruhe. »Immerhin wissen wir jetzt, dass der Sumpfschlinger hier irgendwo ist.«
»Das finde ich nicht gerade ermutigend.« Delilah seufzte tief und schüttelte den Kopf. »Ich wittere Chase.« Sie deutete auf ein Dickicht hüfthoher Farne. »In dieser Richtung, glaube ich.«
Unter trockenem Rascheln bahnten wir uns einen Weg durch die winterlichen Farnwedel. Das wuchernde Unterholz war verdorrt, und Blätter zerbrachen bei unserer Berührung in kleine Stücke, während wir uns durchs Gebüsch schlugen.
»Weshalb sollte Chase hier entlang gegangen sein? Ist er vielleicht vom Weg abgekommen?«, fragte Delilah, doch ich sah ihr an, dass sie die Antwort schon kannte.
»Ganz einfach – entweder wurde er getragen, oder er war auf der Flucht vor irgendetwas und hat nach einem Versteck gesucht.« Ich schüttelte den Kopf und ließ den Blick über das scheinbar endlose, vertrocknete Unterholz schweifen. »Wie sollen wir ihn jemals finden? Es war vielleicht doch verrückt von uns, ganz allein hierherzukommen. Wir hätten wenigstens Smoky mitnehmen sollen.«
Delilah blieb stehen und zeigte nach vorn. »Schau!«
Ich folgte ihrem Blick, und in einer Dornenhecke am Rand einer kleinen Senke entdeckte ich eine Jacke. Die musste Chase gehören.
Wir schoben uns durch die letzten Meter Gebüsch hinüber zu der Hecke, und ich zog vorsichtig an der Jacke. Sie blieb an den Dornen hängen, und ich zerrte daran herum, bis ich sie losgerissen hatte. Ich hielt sie Delilah vor die Nase, doch selbst ich konnte Chases Geruch daran wahrnehmen. Er war hier entlanggekommen.
»Er muss es sehr eilig gehabt haben, wenn er das alles einfach zurückgelassen hat.« Ich kramte in den Taschen und brachte Brieftasche, Dienstmarke und ein paar andere Dinge hervor, die so aussahen, als seien sie wichtig. Dabei fiel auch eine Karte heraus. Ich hob sie auf – die Visitenkarte einer Hellseherin aus Seattle, die ich als seriös und recht treffsicher kannte. Stumm steckte ich sie in seine Brieftasche.
Delilah bückte sich, und als sie sich wieder
Weitere Kostenlose Bücher