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Hexensturm

Hexensturm

Titel: Hexensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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meiner Nähe spüren, wenn ich das Horn bei mir hatte.
    Ich wandte mich der Mitte des kleinen Saals zu, und gleich darauf erschien ein Mann. Er war groß – an die zwei Meter zehn –, seine Haut so braun wie Eichenholz, das Haar lang und dunkel. Allerdings konnte er mit seiner Erscheinung und sogar seiner Gestalt herumspielen, und ich wusste immer noch nicht, wie er in Wahrheit aussah. Ich lächelte bei der Erinnerung an seine Ohrringe, in die ich mich damals verliebt hatte. Er hatte mir genau so ein Paar Ohrringe geschenkt.
    »Eriskel.« Ich zögerte und überlegte, wie ich meine Bitte formulieren sollte.
    »Ihr braucht unsere Hilfe? Ich nehme an, wir befinden uns nicht inmitten einer Schlacht, sonst hättet Ihr die Mächte des Horns von dort draußen angerufen.« Er wies auf den Tisch und nahm selbst daran Platz.
    Ich hatte noch nicht ergründen können, ob der Dschindasel mich mochte oder meine Gegenwart höflich ertrug, aber wie dem auch sei – er war verpflichtet, mir zu helfen. Das lag in seiner Natur, er war ein Teil des Horns und würde allein gar nicht existieren. Wenn das Schwarze Einhorn etwa alle tausend Jahre starb, warf es Horn und Haut ab, die zu mächtigen rituellen Artefakten wurden, und ein winziges Fragment des alten Einhorngeistes blieb in dem Horn gefangen. Es fungierte als Mentor für denjenigen, der diese mächtige Waffe schließlich führte.
    Dschindasel wurden aus mehreren Geschöpfen gebildet – kleine Ableger, die sich aus dem Hauptgeist des Wesens abzweigten. Sie nahmen schließlich ein eigenes Wesen an – doch die Dschindasel des Horns waren in einer Hinsicht einmalig: Sie konnten autonom handeln, ohne dass das Geschöpf, aus dem sie ursprünglich hervorgegangen waren, sich in der Nähe befand.
    Ich beugte mich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch und das Kinn in die Hände. »Könnt Ihr oder die Elementare des Horns in andere Reiche blicken oder durch Portale?« Ich berichtete ihm knapp, was geschehen war und wo wir uns befanden.
    Eriskel blinzelte erst, dann riss er die Augen erschreckend weit auf. Er verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. »Ihr müsst von hier verschwinden. Sofort. Dieser Ort ist gefährlich. Für Euch und für das Horn. Habt Ihr eine Vorstellung davon, was geschehen würde, wenn eine der Alten Feen dieses Artefakt in die Finger bekäme?«
    »Ja, allerdings. Nichts Gutes, nehme ich an.«
    »Dann geht. Hebt Euren hübschen Hintern von diesem Stuhl, verschwindet und schützt das Horn. Wenn es einer Alten Fee in die Hände fällt, brechen sämtliche Höllen los. Ihr habt keine Ahnung, wie skrupellos und mächtig ein paar von denen sind. Sie mögen dem Namen nach mit Euch verwandt sein, aber Ihr seid neben ihnen nur ein Staubkorn. Eine von ihnen könntet Ihr vielleicht im Kampf besiegen, wenn Ihr sämtliche Macht des Horns aufbietet. Aber auch dessen wäre ich mir nicht sicher, und Ihr – Verehrteste – würdet das nicht überleben.«
    Und damit warf Eriskel mich einfach hinaus. Raus aus dem Horn. Ich blinzelte, und seine greifbare Sorge lastete schwer auf mir. Ich sprang auf und wandte mich Delilah zu.
    »Wir müssen hier weg. Sofort.«
    »Warum denn?« Sie runzelte die Stirn, doch mein stummes Kopfschütteln brachte sie zur Besinnung. Als wir hastig den Feenring hinter uns ließen, blickte sie sich nervös um. »Was ist los?«
    »Eriskel hat mich davon überzeugt, dass es eine ganz schlechte Idee ist, hier mit dem Horn herumzulaufen«, flüsterte ich. »Wenn wir doch nur schneller wären – na ja, wenn ich nur schneller wäre. Du kannst ja schneller laufen … Ich werde keine ruhige Sekunde mehr haben, bis wir wieder durch dieses Portal gegangen sind.«
    »Ich passe auf dich auf, keine Sorge.« Delilah stellte keine weiteren Fragen, sondern zückte den eisernen Dolch. Sie verzog das Gesicht. »Ich kann das Eisen selbst durch den Handschuh spüren, aber es geht. Es kribbelt nur sehr unangenehm.«
    »Ja, ich weiß.« Wir hasteten durch den Wald zurück zu dem schmalen freien Streifen zwischen Moor und Urwald. Als wir ihn erreichten, hielt ich inne und sah mich um. »Kommt dir irgendetwas seltsam vor?«
    Sie blieb stehen und lauschte. »Keine Vögel.«
    »Ja.«
    Nicht nur die Vögel hatten aufgehört, zu zwitschern und zu krächzen, auch ansonsten war es auf einmal totenstill, und ich spürte eine Art Rumpeln – eine so tiefe Vibration, dass ich sie nur mühsam zurückverfolgen konnte. Sie kam aus dem Moor, in unsere

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