Hexentage
verbluten lassen. Ihre verzerrten, von den Qualen gezeichneten Gesichter waren im Moment des Todes zu verzweifelten Grimassen gefroren; ihr Blut war zu einer breiten braunen Lache getrocknet. Die Tat mußte bereits einige Tage zurückliegen, denn der Verwesungsgestank hatte bereits eingesetzt, und als Jakob eingetreten war, hatte er einen Schwarm dicker, glänzender Fliegen aufgescheucht, die nun laut surrend herumschwirrten.
Was mochten diese Leute getan haben, um ein solches Schicksal zu erleiden? Hatten sie sich geweigert, ihre kargen Vorräte mit den umherziehenden Soldaten zu teilen und sich gewehrt, als man ihr Vieh stehlen wollte? Wie, in Gottes Namen, konnte man jemals wieder Furcht vor den Dämonen der Hölle empfinden, |250| wenn die schlimmsten Teufel unter den Menschen selbst zu finden waren?
In einer Bodensenke vor seinen Füßen hatte sich eine kleine Regenlache gebildet, in die es von der Decke tropfte. Schnell wandte Jakob seinen Blick von der Wellenbewegung ab. Er wußte, was geschehen würde, wenn er noch länger in das Wasser schaute. Er würde miterleben, wie die erbarmungslosen, blutrünstigen Söldner einen Hausbewohner nach dem anderen heranzerrten, ihnen die Gliedmaßen abschlugen und sie achtlos zu den anderen stießen. Auch wenn Sara ihn inzwischen davon überzeugt hatte, daß diese Gesichter kein Werk des Teufels waren, legte er nicht den geringsten Wert darauf, sie heraufzubeschwören.
Jakob stolperte aus dem Haus und kletterte hastig auf sein Pferd. In schnellem Galopp trieb er es voran und trat ihm heftig in die Flanke, um nur schnell von diesem verfluchten Ort fortzukommen.
Er verbrachte die Nacht unter einem gewaltigen Baum, der ihm Schutz vor dem Regen bot. Der Anblick der Toten in der Kate ließ ihn erst spät in den Schlaf finden, aber zumindest verdrängte der Schreck den Hunger.
Nun, da er die brandenburgische Grenze passiert hatte, legte sich das Kriegsgeschehen wie ein drohender Schatten über das Land. Zerstörte Dörfer und verödete Felder, verängstigte Menschen und die Spur geplünderter Troßwagen wurden seine ständigen Begleiter. Einmal erblickte er aus der Entfernung vor sich einen Trupp von vielleicht zweihundert Söldnern. Er konnte nicht erkennen, ob es sich bei den schäbigen und abgerissenen Gestalten um einen Teil des schwedischen oder des kaiserlichen Heeres handelte, und es war ihm auch gleichgültig. Ohne zu zögern, lenkte er Melchior tief in den Wald und verharrte im Unterholz, bis er sicher war, daß die Soldaten an ihm vorbeigezogen waren.
Müde und hungrig stieß er schließlich auf eine Schänke, wo |251| er endlich eine Rast einlegen konnte. Während er hastig eine Rübensuppe verschlang, versorgte ihn der redselige Wirt mit den neuesten Nachrichten zum Kriegsgeschehen, die besagten, daß vor wenigen Tagen südlich der kleinen Stadt Wittstock eine erbittert geführte Schlacht stattgefunden hatte. Die schwedischen Truppen unter dem Befehl Báners hatten einen kühnen Angriff gegen die auf einem Hügel verschanzten, zahlenmäßig überlegenen Kaiserlichen unternommen und diese schließlich in die Flucht geschlagen. Die verlustreiche Schlacht hatte Stunden angedauert, während derer die Schwadronen und Brigaden in ungeordnetem Kampf wieder und wieder im Rauch des Schlachtfeldes aufeinander geprallt waren. Vor allem die Kavallerieverbände hatten sich erbitterte Reitergefechte geliefert. Der Ausgang hatte auf Messers Schneide gestanden, doch schließlich entschied ein gewagter Flankenangriff die Schlacht zu Gunsten der Schweden.
Jakob lauschte aufmerksam den Worten des Wirtes, der so aufgeregt sprach, als hätte er sich selbst im Schlachtengetümmel befunden. Er mußte daran denken, welchen Streich ihm doch das Schicksal spielen könnte, wenn der Landesherr Gustav Gustavson, der in der Armee Báners ein Reiterregiment führte, bei Wittstock sein Leben gelassen hatte.
Vor Erschöpfung schlief Jakob beinahe zwölf Stunden, und wachte er erst auf, als ihn das harte, hämmernde Klopfen des Wirtes an seiner Tür aus einem wirren Traum riß. Durch die ausgiebige Ruhe fühlte er sich zwar frisch und erholt, hatte aber wertvolle Zeit verloren. Nach einer guten Mahlzeit beglich er rasch seine Zeche und sattelte sein Pferd. In eiligem Galopp kam er zunächst zwar gut voran, doch dann zwang ihn ein heftiger Regenschauer, Melchior zu zügeln, wenn er nicht riskieren wollte, daß das Pferd auf den schlammigen Pfaden ins Stolpern geriet.
Am Morgen des fünften
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