Hexentage
Antwort geben konnte.
»Ich werde dem Landesherrn die Nachricht überbringen. Es … es ist mir eine Ehre«, erwiderte er mit heiserer Stimme, was ihm die anerkennenden Blicke der Anwesenden einbrachte. Nur Heinrich Ameldung, der während der gesamten Unterredung geschwiegen und mutlos auf seinen Teller gestarrt hatte, ließ sich von dem neu entfachten Tatendrang nicht anstecken. Er schien bereits resigniert zu haben.
Spät am Abend ging Jakob über den Hinterhof der Meddersheims. Er dachte an den nächsten Morgen, wenn er bei Sonnenaufgang |245| sein Pferd Melchior besteigen und in Richtung Osten reiten würde.
Sara war vom ersten Augenblick an begeistert gewesen, als er ihr eröffnet hatte, daß ihm angetragen worden war, den Landesherren Gustav Gustavson in seinem Feldlager in Kyritz aufzusuchen, um eine Verfügung gegen den Hexenprozeß zu erreichen.
Als er den Pferdestall neben dem Haus passierte, bemerkte er einen Lichtschein zwischen den Bretterwänden. Er ging hinein und beobachtete, wie Sara sein Pferd mit einer Rübe fütterte und es gleichzeitig striegelte.
»Hier bist du also«, sagte er mit Wehmut in der Stimme.
Sara wandte sich zu ihm um. »Ich dachte mir, Melchior könnte vor dem langen Ritt noch ein paar Streicheleinheiten gebrauchen.« Sie lachte leise, als Melchiors Zunge ihren Handteller kitzelte.
»Und was ist mit mir?« fragte Jakob in scherzhafter Entrüstung.
»Um dich werde ich mich auch noch kümmern.« Sie warf die Bürste beiseite, kam zu Jakob und legte ihm die Arme um den Hals. Er setzte sich auf den Futtertrog und ließ Sara auf seinen Schoß rutschen. Sie war schwer geworden; es schien, als hätte sich ihr Gewicht in den letzten Tagen regelrecht verdoppelt.
Er stöhnte, und sie kniff übermütig in seine Wange.
»Bist du etwa zu schwach für mich geworden?«
Jakob zog eine Grimasse. »Himmel, ich sehne den Tag herbei, an dem ich dich wie eine Feder auf meinen Arm heben kann.«
»Es wird nicht mehr lange dauern. Eine Woche, vielleicht zwei.«
»Versprich mir, daß du das Kind nicht zur Welt bringst, während ich fort bin.«
»Wieso? Willst du etwa dabei zuschauen? Das wird nicht unbedingt ein schöner Anblick sein. Man sagt, viele Männer fürchten sich mehr vor dem Bild einer Frau auf dem Wochenbett als vor einer Schlacht auf Leben und Tod.«
|246| »Ich würde dir so gerne beistehen. Natürlich nur, wenn du es willst.«
Sara drückte ihn fest an sich. »Ja, und darum werde ich geduldig ausharren, bis du zurückkehrst.« Sie schaute ihm in die Augen. »Daß du den Landesherren aufsuchen und für Anna eintreten wirst, werde ich dir niemals vergessen.«
Jakob schwieg einen Moment. Dann sagte er: »Sara, ich möchte dich um etwas bitten. Verlasse die Stadt während meiner Abwesenheit. Begib dich für ein paar Tage zu den Benediktinerinnen nach Malgarten. Die Mutter Oberin wird dich gewiß nicht fortschicken.«
Sara schien von dieser Idee nicht viel zu halten. »Warum sollte ich das tun?«
»Weil ich Angst um dich habe.«
»Du hast Angst um mich?« fragte sie erstaunt. »Eigentlich müßte
ich
darum bangen, daß dir auf deiner Reise kein Unglück zustößt.«
»Als ich Peltzers Haus verließ, warnte er mich davor, sich gegen ihn zu stellen. Genau das tue ich nun, und ich fürchte, er wird davon erfahren. Sein Zorn könnte nicht nur mich, sondern auch dich treffen.«
»Albert Modemann wird mich schützen.«
»Albert Modemann konnte nicht einmal seine eigene Mutter vor dem Bürgermeister beschützen.«
»Ich kann gut auf mich selbst aufpassen. Vor Peltzer habe ich keine Angst. Er wird es nicht wagen, sich an einer hochschwangeren Frau zu vergreifen.«
Jakob ahnte, daß es zwecklos war, Sara umstimmen zu wollen. Er küßte sie so verlangend, als würden sie sich niemals wieder in den Armen halten.
»Du bist das Wertvollste in meinem Leben«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Paß auf dich auf. Versprich es mir.«
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|247| Kapitel 25
Am ersten Tag seiner Reise kam Jakob gut voran. Er trieb Melchior in zügigem Galopp über die zumeist kaum befestigten Straßen und hätte am späten Abend bereits Minden erreichen können. Eine Weile zog er es tatsächlich in Erwägung, in seiner Heimatstadt ein Quartier für die Nacht zu suchen, doch letztendlich entschied er sich dagegen und zog es vor, Minden fern zu bleiben. Weder Laurentz noch Agnes oder seiner eigenen Familie hätte er erklären wollen, warum er diesen beschwerlichen Ritt in die brandenburgischen Lande auf
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