Hexentage
daran, daß Klara erwähnt hatte, der Schwede sei von seinem Pferd getreten worden. Der geschwollene Fuß steckte in einem Verband, aus der eine übelriechende bräunliche Masse quoll.
Gustav Gustavson mochte nicht viel älter als Jakob sein. Er trug keinen Waffenrock, sondern ein schlichtes weißes Rüschenhemd. Die eher grobschlächtigen Züge seines unrasierten Gesichtes ließen ihn nicht unbedingt wie einen Prinzen wirken, aber genaugenommen war Gustavson auch nur ein unehelicher Sohn des großen Königs Gustav Adolf. Sein Vater hatte ihn im Jahr 1630 mit nach Deutschland genommen, um ihn an der Universität von Wittenberg studieren zu lassen. Nach dem Tod Gustav Adolfs war Gustavson in das schwedische Heer eingetreten, während seine minderjährige Halbschwester Christina den schwedischen Thron bestiegen hatte und die politische Macht in die Hände des Reichskanzlers Axel Oxenstierna gefallen war.
|257| »Ich grüße Euch, Graf von Wasaburg«, erklärte Jakob. Er zog den Hut vom Kopf und vollführte eine elegante Verbeugung.
Gustavson musterte ihn aus seinen eng stehenden Augen. »Stört Euch nicht an dem Gestank. Mein Leibarzt hat mir geraten, die Wunde mit dem Dung des Pferdes zu bestreichen, das mir dies angetan hat. Angeblich soll es die Schmerzen aus dem Fuß ziehen. Welch eine Ironie: Ich streckte wohl ein Dutzend Feinde in der Schlacht nieder, ohne auch nur einen Kratzer davonzutragen, und dann trampelt mir mein Pferd auf die Zehen, kaum daß ich abgesessen bin.«
Er lachte spöttisch und warf den Hunden einen Knochen zu. »Olofson hat mir gesagt, daß Ihr aus Osnabrück gekommen seid, um mir eine Nachricht zu überbringen.« Die Stimme des Grafen besaß einen angenehmen, wenn auch nüchternen Klang. Gustavson riß die zweite Hasenkeule ab und meinte: »Also, was bringt Ihr für Neuigkeiten? Haben es der Rat und das Domkapitel womöglich fertig gebracht, ihre Akzise pünktlich und vollständig zu zahlen? Das wäre fürwahr eine höchst erfreuliche Botschaft.«
Jakob zog Modemanns Brief aus seiner Tasche hervor und überreichte ihn Gustavson. »Dies ist die Nachricht, die mir der Herr Albert Modemann mit auf den Weg gegeben hat. Er bittet um Eure Unterstützung.«
»Modemann fleht mich um Hilfe an? Ich glaube, der Mann wünscht mich eher zur Hölle, seitdem ich einst sein Haus von meinen Soldaten plündern ließ.« Gustavson brach das Siegel auf und las die Worte mit gerunzelter Stirn. »Eine Hexenverfolgung also … Modemanns Mutter und eine weitere Frau von hohem Stand wurden verhaftet. Und er klagt den Bürgermeister Peltzer als Urheber dieser Umstände an. Nun, das glaube ich gern. Peltzer ist kein Mann, der seine Aufgaben halbherzig erledigt. Ein unangenehmer Querkopf, der mir bereits viel Ärger bereitet hat.«
»Dann werdet Ihr die Prozesse aussetzen lassen?«
|258| Gustavson warf das Dokument achtlos zu Boden und widmete sich wieder seinem Hasenbraten. »Die Sache interessiert mich nicht. Ich habe andere Sorgen. Wendet Euch an den von mir eingesetzten Statthalter, wenn Ihr eine Entscheidung braucht.«
»Mit Verlaub, Herr Graf, aber Euer Statthalter Münzbruch ist in dieser Angelegenheit überfordert. Peltzer und der Rat haben schon einmal seine Anweisungen ignoriert. Ich bitte Euch, diesen Affront nicht einfach hinzunehmen.«
Gustavson zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Ihr habt Osnabrück den Eid geschworen, die Rechte und Privilegien der Stände und der Bürgerschaft zu schützen und sie gegen Gewalt zu verteidigen. Erinnert Euch daran.«
»Mäßigt gefälligst Eure Zunge, oder ich lasse sie Euch herausreißen!« drohte der Graf und schlug mit der flachen Hand laut auf den Tisch.
Jakob schlug die Augen nieder. »Entschuldigt meine Worte, Herr.«
»Es interessiert mich nicht, ob diese Frauen Hexen sind oder nicht. Wer weiß, vielleicht sind sie sogar wirklich dem Bösen verfallen. Ganz ohne Grund wird man sie nicht verhaftet haben. Früher einmal habe ich nicht daran geglaubt, daß es solche Weiber gibt, die der Zauberei mächtig sind, aber in diesem verfluchten Land scheint es mir durchaus möglich zu sein. Viele Mägde, Huren und Marketenderinnen, die diese Armee begleiteten, wurden der Hexerei beschuldigt. Man erklärte, sie würden die Pferde verhexen, um ein Ende des Krieges herbeizuführen, und enthauptete sie, bevor überhaupt eine Verhandlung durchgeführt werden konnte. Vielleicht waren sie unschuldig, vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon?«
»Aber diese Frauen
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