Hexentage
spürte einen Kloß in seinem Hals, der es ihm für ein paar Atemzüge unmöglich machte, auf ihre Frage zu antworten.
»So sprecht endlich!« fuhr ihn die streitbare Frau Modemann von der Seite an. »Oder hat der Landesherr Euch die Zunge herausreißen lassen?«
Auch Anna Ameldung hatte ihren Blick auf ihn gerichtet. Jakob räusperte sich und entgegnete mit belegter Stimme: »Gu stavson hat einen Befehl ausgestellt, den Hexenprozeß bis zu seiner Rückkehr nach Osnabrück auszusetzen.«
»Aber das ist nicht alles«, argwöhnte Sara. Wie gut sie ihn doch mittlerweile kannte. Er konnte seine Enttäuschung nicht vor ihr verbergen.
|274| »Modemann und ich haben Peltzer aufgesucht und ihm den Befehl vorgelegt. Der Bürgermeister hat das Papier gelesen und es … zerrissen. Die Urteilsfindung wird wie vorgesehen eingeleitet.«
Alle drei Frauen sanken auf ihre Lager zurück. »Dann wird man uns also schon in Kürze öffentlich hinrichten lassen?« fragte Anna Ameldung leise und ohne jede Hoffnung.
»Euer Ehemann hat sich für Euch eingesetzt und eine private Verhandlung erwirkt, Frau Ameldung.« Jakob vermied es, auf die weiteren Umstände dieses Privilegs einzugehen. Es war nicht nötig, daß sie erfuhr, daß ihr eigener Mann mittlerweile an ihrer Unschuld zweifelte. Das Wissen, daß der Apotheker unter dem Druck des Bürgermeisters zusammengebrochen war und dem Bürgermeister die Verpflichtung abgeleistet hatte, in Zukunft jedes weitere Vorgehen gegen Peltzer und den Rat zu unterlassen, würde sie nur unnötig belasten.
»Was ist mit mir?« mischte sich die Modemann ein. »Wird man mir ebenfalls eine private Exekution gewähren?«
»Euer Sohn hat sich geweigert, das Angebot des Rates anzunehmen.«
Die Alte verzog das Gesicht. »Verflucht soll er sein, dieser Sturkopf!«
»Er hat seine Gründe dafür.«
Frau Modemann funkelte Jakob aus zornigen Augen an, als wäre es seine Schuld, daß ihr die Gnade der privaten Exekution nicht gewährt wurde, drehte sich dann trotzig mit dem Gesicht zur Wand um und brummte einige unverständliche Flüche.
Jakob bemerkte, daß Sara weinte, und setzte sich rasch neben sie. Ihre Hände strichen zärtlich über ihren Bauch.
»Was soll nur aus meinem Kind werden, wenn man mir den Kopf abschlägt?«
»Soweit ist es noch lange nicht«, versuchte Jakob ihr Mut zu machen.
|275| »Unsinn«, widersprach ihm Sara. »Sie werden uns hinrichten lassen. Und vorher werden sie mich foltern und mein Kind töten, weil sie glauben, daß es vom Teufel gezeugt wurde.«
»Ich werde dafür sorgen, daß Euer Kind zu einer Amme gebracht wird«, machte ihr Matthias Klare Mut.
»Kümmere dich um mein Kind, Jakob.« Sara klammerte sich an seinen Arm. »Versprich es mir!«
Wie in Gottes Namen soll ich allein ein Kind aufziehen?
fragte er sich, wagte es aber nicht, Sara zu enttäuschen. »Ich werde mich seiner annehmen«, versicherte er ihr. »Aber ich will die Hoffnung nicht aufgeben, daß wir beide uns gemeinsam um das Kind kümmern werden.« Nun war er es, der die Tränen nicht aufhalten konnte. »Ich will stark sein, Sara, aber ich weiß nicht, ob ich ohne dich die Kraft habe, den Weg weiterzugehen, auf den du mich geführt hast.«
»Du mußt, Jakob! Es ist gar nicht so schwer«, meinte sie mit Bestimmtheit. »Nun komm und halt mich einfach fest. Ich bin so müde.«
Er wischte sich mit dem Handrücken die Tränen vom Gesicht und legte seine Arme um Sara.
»Schließ die Augen«, flüsterte er ihr zu.
Sara ließ ihren Kopf in seine Halsbeuge sinken, und er wünschte sich, sie könnte in seinen Armen einschlafen. Der Schlaf würde ihr Kraft schenken und sie für einige Stunden aus diesem abscheulichen Kerker entführen, denn in ihren Träumen würde sie frei sein.
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Kapitel 27
»Jakob, wach auf.«
Sara rüttelte an seiner Schulter. Jakob schlug überrascht die Augen auf und erwachte aus einem diffusen Traum. Gleich darauf spürte er auch einen Tritt.
|276| Ihm fiel auf, daß das schale Licht hinter den schmalen Mauerscharten der Dunkelheit gewichen war. Er mußte mehrere Stunden hier im Gefängnis an Saras Seite geschlafen haben.
Nun erkannte er auch, wer ihm den Tritt verpaßt hatte. Direkt vor ihm baute sich Jobst Voß mit hinter dem Rücken verschränkten Armen auf und betrachtete ihn mit kaum verhohlenem Abscheu und Ekel. Der Ratsherr war nicht allein. Hinter ihm machte Jakob zwei stämmige Büttel aus. Mathias Klare indes beugte sich über Anna Ameldung und nahm ihr die Ketten
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