Hexentage
über Euch fällen.« Mit diesen Worten wandte er sich um und verließ erhobenen Hauptes die Ratsstube.
Jakob stürmte die Treppe zum Wehrgang hinauf und trat dabei rüde zwei Hunde aus dem Weg, die auf den Stufen knurrend um einen alten Knochen rangen.
Bereits hier glaubte Jakob schon den schier unerträglichen fauligen Gestank, der aus dem Kerker drang, wahrzunehmen.
»Laßt mich eintreten!« rief er am Eingang zum Turm und hämmerte mit der Faust an das Holz. Die Wache, die ihm öffnete, betrachtete ihn argwöhnisch und machte keinerlei Anstalten, Jakobs Verlangen nachzukommen.
»Ich muß zu den Gefangenen.«
Die Wache schüttelte den Kopf. »Könnt Ihr einen schriftlichen Befehl vorweisen?«
Jakob rang nach Luft und befürchtete schon, daß ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen würde, doch dann tauchte hinter der Schulter des Wachmannes das Gesicht des Scharfrichters auf.
»Laßt den Mann herein«, sagte Matthias Klare und schob die Wache zur Seite. »Ich habe ihn hierher bestellt.«
Der Mann wägte einen Moment lang ab, ob er der Aufforderung des Scharfrichters Folge leisten sollte, dann zuckte er nur unbeteiligt mit den Schultern und kehrte zu seinen Kameraden an die Kohlenpfanne zurück.
Jakob folgte Klare die schmale Treppe hinauf und zog, als sie sich vor dem Gefängniskasten des Grafen von Hoya befanden, kurz an dessen Wams, um mit ihm zu sprechen.
|272| »Wartet«, sagte Jakob. »Wie konnte das geschehen?«
Klare verzog das Gesicht. »Es tut mir so leid. Glaubt mir, Sara Meddersheims Verhaftung erfolgte völlig überraschend. Hätte ich früher davon erfahren, hätte ich alles daran gesetzt, sie rechtzeitig aus der Stadt zu schaffen.«
»Ich mache Euch keine Vorwürfe, Meister Klare.«
»Ich weiß, was ich Euch und der Meddersheimerin schuldig bin; und mir ist klar, daß sie nie und nimmer eine Dienerin des Bösen sein kann. Wenn ich könnte, würde ich sie mit meinen eigenen Händen in die Freiheit tragen.«
Jakob nickte. »Wie geht es ihr?«
»Sie sagte mir, ihr Rücken würde stark schmerzen, aber das ist kein Wunder auf dem harten Lager. Ich habe wohl doppelt so viel Stroh für sie herangeschafft, wie es üblich ist, und ich achte darauf, daß sie genügend zu essen bekommt, um ihre Kräfte aufrechtzuerhalten. Trotzdem ist dieser Kerker kein Ort für eine schwangere Frau.«
»Gewiß nicht«, stimmte Jakob ihm zu.
»Ich glaube, sie ist sehr mutlos, auch wenn sie stets bemüht ist, es sich nicht anmerken zu lassen. Sie hat oft nach Euch gefragt. Jedesmal wenn ich mit ihr gesprochen habe, wollte sie wissen, ob Ihr wohlbehalten von Eurer Reise zurückgekehrt seid.«
»Laßt uns bitte zu ihr gehen«, bat Jakob.
Klare nickte, und sie stiegen hinauf in die höheren Stockwerke. Im ersten Kerkerraum befanden sich mittlerweile vier Inhaftierte. Neben den beiden abgerissenen Gestalten, die seit Wochen in diesem Gefängnis dahinvegetierten, hockten zwei ihm fremde Frauen, die mit angsterfüllten Augen verfolgten, wie Klare und er durch den Raum gingen und die nächste Treppe hinaufstiegen. Sara war demnach nicht die einzige Leidtragende der jüngsten Hexenverfolgungen.
Jakobs Herz hämmerte vor Sorge, als er Sara erblickte. Sie hatte sich auf ihrem Lager aus Stroh auf die Seite gelegt und rollte sich mit ihrem gewaltigen Bauch nun stöhnend auf den Rücken, als |273| sie ihn bemerkte. Ihre Augen funkelten zunächst verwirrt, dann leuchteten sie voller Freude und Erleichterung.
»Jakob, du bist zurück«, sagte sie.
Auch Anna Ameldung und Anna Modemann richteten sich auf und starrten ihn an.
»Gott, Sara«, flüsterte er und trat unbeholfen näher. Er ließ sich auf die Knie fallen und strich durch ihr offenes Haar, das ihn unweigerlich an den Morgen nach ihrer ersten Liebesnacht erinnerte, als er lange neben ihr gelegen und sie versonnen betrachtet hatte. Sie hier zu sehen, gefangen und von Furcht gezeichnet, brach ihm schier das Herz.
Sara konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. »Ich habe mein Versprechen gehalten, Jakob. Das Kind ist noch in meinem Bauch.«
Er küßte sanft ihre Wölbung. »Himmel, was für ein riesiges Kind das wird«, meinte er und entlockte Sara mit dieser Bemerkung ein schwaches Lächeln.
»Ich bin so froh, dich endlich wiederzusehen. Auch wenn mir dafür ein anderer Ort lieber gewesen wäre.« Sie schaute ihn ernst an und sagte: »Jakob, was hast du erreicht? Bist du dem Landesherrn gegenübergetreten? Und ist er auf unsere Bitte eingegangen?«
Jakob
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