Hexentage
sich Peltzer an Jakob. »Verschwindet! Geht mir aus den Augen!«
Seltsamerweise hatte Modemanns Wutausbruch dafür gesorgt, daß Jakob nun weitaus ruhiger geworden war. Er hob die zerrissene Depesche auf und strich mit den Fingern über das Papier. »Gustavson wird erfahren, daß Ihr Euch offen gegen seine Befehle aufgelehnt habt.«
Ein süffisantes Lächeln spielte um die Lippen des Bürgermeisters. Er schien sich sehr sicher hinter den Mauern seiner Stadt |269| zu fühlen, und dann begriff Jakob plötzlich: »Gütiger Gott, Ihr habt gehofft, daß genau dies geschehen würde.«
Peltzer trat an Jakob vorbei und schloß die Tür der Ratsstube. »Nennen wir es eine Fügung des Schicksals«, sagte er.
»Ihr legt es wirklich darauf an, den Zorn des Grafen Gustavson auf Euch zu ziehen?«
»Allein würde ich einen solchen Konflikt niemals bestehen können, doch mit der rückhaltlosen Unterstützung des Rates, der Stände und der gesamten Bürgerschaft wird es mir gelingen, mich gegen den Grafen und die schwedische Besatzung zu behaupten.«
»Eine Unterstützung, die Ihr Euch vor allem durch die rigorose Bewältigung des Hexenproblems erworben habt.« Jakob war nun überzeugt davon, daß der Bürgermeister es schon vor Monaten in Betracht gezogen haben mußte, den Kampf gegen das Böse als wirksames Mittel zur Stärkung seiner Macht in der Auseinandersetzung mit seinen politischen Feinden und der schwedischen Gegnerschaft zu nutzen. Wahrscheinlich hatte er diesen Gedanken sogar bereits vor der ersten Verhaftung einer Hexe gehegt.
»So kann man es sehen«, erwiderte Peltzer.
»Aber warum habt Ihr Sara Meddersheim verhaften lassen?«
Die Augen des Bürgermeisters wurden schmal. »Weil sie eine Hexe ist.«
»Das ist nicht wahr.«
»Es ist wahr. Ihr selbst seid der beste Beweis. Ich erkenne Euch nicht wieder, Jakob. Sie hat einen Zauber über Euch gelegt, und ich wünsche mir so sehr, daß Ihr Eure Vernunft zurückerlangt, wenn man der Hexe den Kopf von den Schultern geschlagen hat.«
»Sie erwartet ein Kind.«
»Ein Kind der Sünde, das allem Anschein nach vom Satan selbst gezeugt wurde.«
Es war zwecklos, mit Peltzer über Sara zu sprechen. Doch der |270| kalte Haß, den er für den Bürgermeister empfand, trieb ihn dazu an, ihn mit weiteren Verfehlungen zu konfrontieren.
»Und Maria Bödiker? Wen soll sie mit einem Zauber belegt haben? Etwa Euch selbst? Habt Ihr sie deswegen angezeigt?«
Der Bürgermeister legte die Stirn in Falten. Es schien ihm nicht zu gefallen, daß der Name seiner früheren Dienstmagd ins Spiel gebracht wurde. »Die Bödiker war ein durchtriebenes Weib, das mein Geld gestohlen hat, um sich die Dienste des Teufels zu erkaufen.«
»O nein. Ihr wißt, daß dies eine Lüge ist. Ihr allein habt die Bödiker als Hexe gebrandmarkt, weil Ihr wußtet, daß durch das Geständnis, das sie unter der Folter zu Protokoll gab, eine gnadenlose Hexenverfolgung ins Leben gerufen werden würde. Ihr habt die Angst der Menschen um Euch herum geschürt, um sie damit hinter Eure harte Hand zu bringen. Mit jeder unschuldigen Frau, die als Hexe entlarvt wurde, verstärkte sich die Furcht vor der Macht des Teufels, und die Bürger Osnabrücks trauten Euch als einzigem zu, den Kampf gegen diese vermeintliche Plage aufzunehmen – den Kampf gegen eine Verschwörung des Bösen, die Ihr selbst inszeniert habt.«
»Was versteht Ihr schon von diesen Dingen?« Peltzer sprach seine Worte in solch scharfem Ton aus, daß Jakob unmerklich einen Schritt zurückwich. »Ich trage die Verantwortung für die ganze Stadt. Und diese Stadt braucht ihre Eigenständigkeit. Der Bischof will ihr die Religionsfreiheit nehmen und uns seinen katholischen Irrglauben aufzwingen; die Schweden hingegen sprechen uns die Rechtsgewalt ab. Nimmt man uns diese Privilegien, wird die Stadt zugrunde gehen.«
»Das rechtfertigt keinesfalls Euer Vorgehen«, sagte Jakob. »Denn Ihr bezahlt den Preis für Eure Ziele mit dem Blut der Bürger, die Ihr zu schützen sucht, wenn es denn überhaupt die Menschen sind, um die Ihr Euch sorgt, und nicht Euer eigener Machtanspruch.«
»Wagt es nicht, über mich zu richten.« Die rechte Hand des |271| Bürgermeisters zuckte hoch; er hielt jedoch im letzten Moment inne und gab Jakob keine Ohrfeige.
Jakob warf den zerrissenen Befehl auf Peltzers Schreibtisch. »Ich hoffe, Modemann wird mit seiner Prophezeiung über Euer Schicksal recht behalten. Wenn es einen gerechten Gott gibt, dann wird er ein hartes Urteil
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