Hexentage
entgegen lächelte.
In der Stube herrschte eine eigentümliche Atmosphäre. Der Raum bot nicht allzu viel Platz. Zwei der Wände waren mit Regalen zugestellt, die vom Boden bis zur Decke reichten. In ihnen befanden sich zahlreiche Bücher und Dokumente, die den Eindruck entstehen ließen, als ob diese Wände nicht aus Stein, sondern aus Papier und Wissen errichtet worden wären. Es gab nur ein winziges, vergittertes Fenster, neben dem ein großes Holzkreuz mit einer kunstvoll geschnitzten Jesusfigur angebracht |50| worden war. Unter den Augen des Heilands befand sich das Lesepult, an dem Wilhelm Peltzer seine Studien betrieb. Außerdem fiel Jakob noch eine schwere metallbeschlagene Truhe ins Auge.
Peltzer klappte das Buch vor sich zu. »Mir scheint, Ihr leidet unter unruhigem Schlaf.«
»Ich hörte Schritte und befürchtete, ein Dieb wäre in das Haus eingedrungen«, versuchte Jakob sich zu rechtfertigen.
»Der Dieb bin wohl ich.« Peltzer lächelte schief. »Gewiß wundert Ihr Euch, warum ich des Nachts in dieser Kammer hocke und im trüben Licht einer Laterne in meinen Büchern lese.«
»Nicht unbedingt. Seit ich im Haus meines Brautvaters lebe und dessen Bibliothek entdeckt habe, hat sich mein Bedürfnis nach Schlaf ebenfalls auf ein Minimum reduziert.« Jakob sprach leise und senkte verhalten den Blick. Es fiel ihm schwer, abzuschätzen, ob der Bürgermeister sich von ihm gestört fühlte.
»Die Nacht bietet selige Ruhe«, sagte Peltzer. »Zu welcher Zeit könnte man sich besser den Worten und Gedanken der Gelehrten widmen? Abgesehen davon lassen meine Pflichten am Tage eine solche Beschäftigung gar nicht erst zu.«
Jakob beäugte die Folianten in den Regalen. Einige schienen sehr alt zu sein, andere hingegen waren eindeutig neueren Datums. Kaum eines der Bücher war mit einer auffälligen Staubschicht bedeckt, was darauf hinwies, daß es sich bei Wilhelm Peltzer entweder um einen sehr reinlichen Menschen oder um einen äußerst fleißigen Leser handeln mußte.
Umfangreiche gebundene Werke wechselten sich mit lose zusammengebundenen Blättern ab. Die lateinischen, griechischen oder deutschen Titel wiesen zumeist auf religiöse und juristische Schriften hin. Jakob erhaschte Namen von Autoren wie Nikolaus Jacquerius, Bernard Basin, Raimundus Terrega oder Hieronymus Vicecomes. Auf einige dieser Bücher war er auch schon in der Bibliothek des Johann Albrecht Laurentz gestoßen, doch die meisten waren ihm völlig unbekannt.
|51| »Sagt, Jakob, welcherart sind die Schriften, mit denen Ihr Eure Nächte verbringt?« verlangte Peltzer zu wissen.
»Sie sind den Euren sehr ähnlich«, antwortete Jakob. »Vor allem Literatur über Hexerei und Dämonologie ist es, die mich die Nächte durchwachen läßt. Begonnen bei Thomas von Aquin über Delrio und Binsfeld und natürlich die Heilige Schrift.«
Bedächtig nickend schien Peltzer dieser Auswahl durchaus Respekt zu zollen. Er schaute Jakob einen Moment lang abschätzend an, dann erhob er sich von seinem Stuhl und zog unter seinem Gürtel einen Schlüssel hervor.
»Wenn Ihr etwas über das Werk des Teufels lernen wollt, wird dies hier sicherlich auf Euer Interesse stoßen.« Peltzer entfernte das Schloß von der Truhe und entnahm ihr ein dickleibiges Buch, dessen vergilbtes Papier und der abgegriffene Ledereinband keinen Zweifel daran ließen, daß es sehr alt sein mußte.
Er legte das Buch auf das Pult. Jakob trat zögernd näher und schaute sich den Einband an. Sein Atem stockte kurz, als er den Titel las.
»Der
Malleus maleficarum
«, hauchte er.
»Geht bitte vorsichtig damit um, es handelt sich um einen der ältesten Drucke dieses Werkes. 1496 ging das Buch in den Besitz des Nürnberger Klosters St. Egidien über. Ihr könnt an den Rändern noch die Notizen der Mönche erkennen. Vor vielen Jahren bin ich in Frankreich auf dieses Exemplar gestoßen. Es war weiß Gott nicht billig, aber ich glaube, Ihr werdet mir darin zustimmen, daß sich eine solche Anschaffung in jedem Fall lohnt.«
Ehrfürchtig schlug Jakob das Buch auf, ließ seinen Blick über die lateinischen Wörter wandern und bewunderte die mit feinen Miniaturen geschmückten Initialen, jede für sich ein eigenes kleines Kunstwerk. Nun war ihm auch klar, warum Peltzer dieses Zimmer so sorgfältig unter Verschluß hielt. Das Buch war 140 Jahre alt und von unschätzbarem Wert. Jakob hatte sich schon lange gewünscht, das berühmte Werk der Inquisitoren Heinrich Institoris und Jakob Sprenger in
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