Hexentage
Bibliothek beschäftigen.«
Die Bibliothek. Der
Malleus maleficarum
. Nichts hätte Jakob mehr reizen können, in Osnabrück zu bleiben.
Er wandte sich zu Laurentz um. »Wäre das möglich?«
Sein Brautvater lächelte. »Ich reise zwar lieber in Gesellschaft, aber wenn Ihr den Wunsch habt, noch ein paar Wochen zu bleiben, habe ich nichts dagegen. Es wäre jedoch wohl ratsam, meiner Tochter Agnes einen besänftigenden Brief zukommen zu lassen.«
»Das will ich gerne tun.«
»Eurer Braut gegenüber solltet Ihr dann besser nicht erwähnen, welchen Eindruck Ihr auf eine gewisse Frau gemacht habt«, erklärte Peltzer und deutete in eine Richtung.
Jakob drehte sich um und ahnte bereits, worauf Peltzer anspielte. Die schwangere Frau, die ihm schon während der Hinrichtung aufgefallen war, stand an die Wand des gegenüberliegenden Hauses gelehnt, die Hände vor ihrem gewölbten Bauch gefaltet, und beobachtete ihn. Als sie merkte, daß die Männer auf sie aufmerksam geworden waren, wandte sie den Blick ab und ging dann langsam davon.
»Wer ist diese Frau?«, wollte Jakob wissen.
Der Bürgermeister runzelte die Stirn. »Sie ist die Tochter des Goldschmieds Meddersheim aus der Neustadt.«
»Was wißt Ihr noch über sie?«
»Mir ist nur zu Ohren gekommen, daß sie unverheiratet ist. Der Bastard, den sie in sich trägt, gereicht ihrem Vater also nicht unbedingt zur Ehre.«
|69| »Ihr solltet Euch vor solch flatterhaften Weibsbildern hüten.« Laurentz schaute Jakob an und zwinkerte ihm zu. »Aber zumindest besteht nicht die Gefahr, daß Ihr sie schwängern könntet.«
Sein Brautvater lachte lauthals über seine eigene Bemerkung, und selbst der für gewöhnlich ernste Peltzer lächelte für einen Moment. Jakob jedoch war nachdenklich geworden. Er schaute der Frau nach, die hinter einer Häuserecke verschwand, und fragte sich, welches Interesse sie an ihm hatte. Warum stellte sie ihm nach?
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Kapitel 8
Johann Albrecht Laurentz reiste drei Tage später, am 6. September, aus Osnabrück ab, nachdem er das von Wilhelm Peltzer gewünschte Gutachten fertiggestellt hatte. Der Schriftsatz war ganz im Sinne des Bürgermeisters ausgefallen. Jakob hatte Laurentz zu Unterredungen mit mehr als einem Dutzend Ratsmitgliedern begleitet, in denen noch einmal ausschweifend die Gründe für das Verfahren gegen Anna Ameldung und Anna Modemann erläutert wurden. Der Rat berief sich dabei vor allem auf die Carolina, das Strafgesetzbuch Karls V., laut dessen Artikel 109 die Anwendung eines Schadenzaubers nur mit dem Tode bestraft werden konnte. Laurentz hörte sich aufmerksam die Ausführungen der Ratsmitglieder an und verfaßte daraufhin sein Gutachten.
Jakob hatte das Dokument selbst nicht gelesen, aber Laurentz hatte ihm anvertraut, daß er es als juristisch legitim betrachte, die beiden Frauen auf Grund des schwerwiegenden Verdachtes einer Kerkerhaft auszusetzen und sie dem Verhör zu unterziehen. Wären sie unschuldig, so fügte er an, würden sie auf jeden Fall die in Osnabrück praktizierte Wasserprobe bestehen und die Kraft besitzen, die Verhöre und Folterqualen zu ertragen.
Auch die Freilassung gegen Kaution mochte Laurentz nicht |70| befürworten. Sollte es sich bei den beiden Frauen tatsächlich um Dienerinnen des Satans handeln, müßte seiner Ansicht nach in Betracht gezogen werden, daß sie die wiedergewonnene Freiheit dazu nutzen würden, ihren Feinden und Anklägern unter Anwendung von Zauberei schweren Schaden zuzufügen.
Jakob konnte dieses Argument nicht recht verstehen. Wilhelm Peltzer hatte ihm einige Tage zuvor gesagt, daß er die Macht der Zauberinnen nicht fürchte, da er überzeugt davon war, daß der Herr seine schützende Hand über ihn hielt. Wie hätte Gott es also zulassen können, daß die Ameldung und die Modemann ihre Ankläger verhexten? Er unterließ es jedoch, Laurentz diesen Gedanken mitzuteilen.
Jeden Abend wurde Jakob von Wilhelm Peltzer eingeladen, das Studierzimmer zu benutzen, und Jakob ließ keine dieser Gelegenheiten ungenutzt. Nach dem Essen an der Abendtafel zog er sich in die enge Kammer zurück, zündete mehrere Kerzen an und studierte den
Malleus maleficarum
. Manchmal leistete Peltzer ihm Gesellschaft, doch die meiste Zeit war Jakob alleine in der Kammer.
Dem Buch vorangestellt war die
Summis desiderantes,
die Hexenbulle des Papstes Innozenz VIII., die sich gegen die verbreitete Vorstellung von Hexerei als bloßem Überbleibsel heidnischer Kulte richtete und statt dessen eine
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