Hexentage
Kräuter und einige Pilze. Fühlt Ihr Euch kräftig genug für einen Spaziergang?«
Jakob nickte, ohne zu zögern, obwohl er sich nicht sicher war, ob eine solche Anstrengung ratsam wäre. Saras Bitte wollte er aber nicht ablehnen.
»Wartet einen Moment, ich lasse mir von Mina meine Haube und einen Umhang bringen, dann können wir gehen.« Sara rief nach der Magd.
Jakob stützte sich auf die Tischkante und betastete seine rechte Hüfte. Schon ein leichtes Drücken verursachte einen brennenden Schmerz. Wieder befürchtete er, seine Kraft zu überschätzen. Dennoch hätte er um nichts in der Welt die Gelegenheit verpassen mögen, in Ruhe mit Sara zu sprechen.
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Kapitel 12
Saras Ziel war der Gertrudenberg, die nördliche Anhöhe vor den Toren der Stadt. Zunächst fiel beiden der Fußmarsch über die steinigen Pfade nicht schwer, doch je länger sie den Hügel hinauf wanderten, desto anstrengender wurde es für Sara. Immer häufiger drückte sie sich die Hände ins Kreuz und rang nach Luft. Mehre Male waren sie gezwungen, eine Pause einzulegen. Jakob, der bei jedem Schritt ein dumpfes Pochen in seiner Wunde spürte, nahm die Gelegenheit zur Rast dankbar an.
Seine Sorge, Sara könnte ihm das argwöhnische Verhalten, das |100| er bei ihrer vorangegangenen Begegnung an den Tag gelegt hatte, noch immer übelnehmen, erwies sich als unbegründet. Von dem Moment an, da sie das Stadttor passiert hatten, plauderte sie munter drauf los und mokierte sich über die Osnabrücker Ärzte.
»Es wird kein Wert auf Reinlichkeit gelegt«, klagte Sara. »Ich kenne viele Ärzte, die es nicht für nötig erachten, sich vor der Behandlung einer offenen Wunde die Hände zu waschen. Wen wundert es da, daß sich das Fleisch entzündet. Und schwächt daraufhin ein Fieber den Patienten, läßt man ihn zudem noch zur Ader, um das Blut zu reinigen.«
»Aber das kranke Blut enthält die bösen Säfte, die den Leib verderben.« Jakob war beileibe kein Fachmann, doch man brauchte kein Arzt zu sein, um das Zusammenwirken der Säfte im menschlichen Körper zu begreifen. Auch wenn er Saras Meinung einen gewissen Respekt entgegenbrachte, da sie bei der Behandlung seiner Verletzung alles richtig gemacht hatte, sah er keinen Grund, an den bewährten Methoden der Ärzteschaft zu zweifeln.
»Wie würdet Ihr statt dessen verfahren?« wollte er wissen.
»Ich vertraue den heilenden Kräften, die uns die Natur in den Pflanzen und Mineralien zur Seite stellt. Und zwar nicht erst, wenn eine Krankheit ausgebrochen ist. In der Medizin kommt es darauf an, die Konstitution eines Menschen zu stärken, also nicht nur zu heilen, sondern vor allem vorzubeugen. Die von den Badern so beliebten Aderlässe oder Klistiere sind in meinen Augen vollkommen sinnlos.«
»Mit dieser Theorie würdet ihr unter der Osnabrücker Ärzteschaft sicher Erheiterung hervorrufen.«
Sara bedachte Jakob mit einem trotzigen Blick. »Ich habe zu viele Menschen an den Aderlässen sterben sehen, andere wiederum, die nach einer sanfteren Methode behandelt wurden, sind heute wieder gesund.«
Inzwischen hatten sie den höchsten Punkt des Gertrudenbergs erreicht. Von der Anhöhe aus konnten sie die gesamte |101| Stadt überschauen. Aus den Schornsteinen stiegen dünne Rauchfahnen gen Himmel, die Menschen gingen gemächlich ihrer Arbeit nach, und selbst die schwedischen Söldner ließen sich nur vereinzelt auf den Straßen blicken. Alles wirkte ruhig und friedlich. Die Stadt gaukelte dem Betrachter ein Bild der Harmonie vor, als gäbe es keinen konfessionalen Zwiespalt und keine Bedrohung durch Hexen und Zauberer. Die wahren, bedrückenden Verhältnisse wurden Jakob jedoch recht schnell wieder klar, als sie eine Klosteranlage erreichten.
Dach und Fenster des Klosters waren das Opfer von Flammen geworden, das Hauptgebäude und der Turm waren nur noch eine düstere, rußgeschwärzte Ruine. Jakob nahm den Geruch verwitterten Holzes wahr, der von den verkohlten Überresten des eingestürzten Dachstuhls ausging. Er vermutete, daß der Brand bereits einige Zeit zurücklag, denn über die Trümmer hatte sich eine grünlich schimmernde Moosschicht ausgebreitet.
»Was ist hier geschehen?« fragte Jakob.
Sara betrachtete traurig die Ruine. »Anfang des Jahres wurde Osnabrück von einem katholischen Heer belagert. Die Kaiserlichen benutzten dieses Frauenkloster als ihr Hauptquartier und zogen erst zu Ostern ab. Kaum waren die Soldaten fort, da loderten die Flammen so hoch, daß man sie von der
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