Hexentage
Zwischenfall mit Sara Meddersheim förmlich berauschen, so fühlte er sich nun, als wäre er aus diesem Rausch erwacht und würde an unangenehmen Nachwirkungen leiden.
Woher, so fragte er sich, nahmen die Verfasser dieses und anderer Bücher ihre Sicherheit? Alles, was er über das Werk des Teufels las, klang überzeugend. Jakob hatte geglaubt, in den letzten Tagen mehr über die Hintergründe der Zauberei gelernt zu haben, als in seinem gesamten Leben, doch er mußte auch einsehen, wie sehr er noch ein Laie auf diesem Gebiet war. Jakob hatte Sara gegenüber die schlimmste Beschuldigung ausgesprochen, derer ein Mensch angeklagt werden konnte. Er hatte sie verdächtigt, eine Hexe zu sein, nur wegen ihrer Bitte, ihn über das Befinden einer zweifelhaften Person in Kenntnis zu setzen, deren Schuld nicht einmal eindeutig bewiesen war. Es wäre ihr gutes Recht gewesen, ihn in seiner Notlage die kalte Schulter zu zeigen, doch Sara hatte keinen Moment gezögert, sich den schwedischen |95| Söldnern entgegenzustellen. Wie ein Engel aus Gottes heiliger Armee war sie ihm erschienen und hatte die Schweden mit Steinen und Schimpfworten davongejagt, so als schleudere sie gleißende Blitze aus ihren Händen. Während er starr vor Furcht auf dem Boden gekauert hatte, hatte er den Mut in ihren Augen gesehen. Sie war hübsch gewesen in diesem Augenblick.
Und dann ihre Kammer! Jakob schloß die Augen und durchstreifte in Gedanken noch einmal diesen wundersamen Raum mit all seinem exotischen Inventar. Seine eigene Kammer hier in Wilhelm Peltzers Haus wirkte dagegen so schlicht und leer wie ein grauer Stein im Vergleich zu einer Blume in voller Blütenpracht. Welche Geheimnisse mochte diese Frau noch verbergen?
Da er sich ohnehin nicht auf die Worte im
Malleus
konzentrieren konnte, klappte Jakob das Buch nach kurzer Zeit wieder zu und schritt auf dem Korridor vor seinem Zimmer auf und ab. Am Abend schaute der Arzt noch einmal vorbei und bestätigte, was Jakob bereits spürte: Seine Wunde war hervorragend verheilt, und als Jakob den greisen Mediziner fragte, ob er am nächsten Tag einen Gang in die Neustadt wagen könne, zog der Medicus zunächst seine Stirn in Falten, gestattete Jakob dann aber einen Spaziergang.
Frau Peltzer packte am nächsten Morgen zwei geräucherte Würste, einen dicken Laib Weißbrot, Ziegenkäse und eine Flasche Wein in einen Korb und gab diesen Jakob mit auf den Weg zu Sara Meddersheim. Jakob ging langsam, um die Wunde nicht zu stark zu belasten, und bemerkte, daß seine Laune mit jedem Schritt besser wurde. Er hoffte, daß er Sara wiedersehen würde und ihr endlich für ihre Hilfe danken konnte. Vielleicht würde sie ihn dann in ihr Zimmer führen und ihm erklären, wo sie diese außergewöhnlichen Teppiche und die fremdartigen Bücher mit der seltsamen Schrift erworben hatte.
In der Neustadt fiel es ihm zunächst schwer, sich zu orientieren. Er verlief sich mehrmals und spürte jedes Mal ein nervöses |96| Prickeln im Magen, wenn ihm in den Straßen Gruppen von Söldnern entgegenkamen. Seine Hand fuhr dann an den Knauf seines Degens und löste sich erst wieder, nachdem er die Söldner hinter sich gelassen hatte.
Endlich entdeckte er die Straße, in die Sara ihn vor drei Tagen geführt hatte. Schon von weitem sah er sie im ersten Stock aus dem offenen Fenster lehnen, wo sie von einem Apfel abbiß. »Wohin des Weges?« rief sie ihm zu. »Seid Ihr auf der Suche nach rauflustigen Söldnern?«
»Darauf würde ich mich nur einlassen, wenn Ihr in meiner Nähe wäret.« Jakob zog seinen Hut zum Gruß und deutete auf den Korb in seinem Arm. »Ich bin gekommen, um mich für Eure Hilfe zu bedanken. Hättet Ihr einen Moment Zeit für mich?«
Sara biß von ihrem Apfel ab und tat so, als müßte sie sich diese Bitte gut überlegen. Dann meinte sie: »Kommt nur herein und wartet in der Werkstatt auf mich. Ich werde versuchen, meinen dicken Bauch hinunterzutragen. Das kann etwas dauern.«
Sie verschwand vom Fenster. Jakob klopfte an die Eingangstür und trat ein. Sogleich schlug ihm die schwüle Hitze des Goldschmiedeofens entgegen. Die Luft war stickig und roch nach Metall. Georg Meddersheim, der damit beschäftigt gewesen war, mit einem kleinen Stecheisen einen Kelch zu gravieren, legte sein Werkzeug beiseite und empfing Jakob mit einem herzhaften Händeschütteln.
»Schön Euch wiederzusehen, junger Freund. Wie mir scheint, habt Ihr Euch gut erholt. Euer Gesicht ist zumindest nicht mehr so blaß wie bei unserer
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